Die Presse

Der kühne, herrliche Bass

Staatsoper. Das erste Konzert nach dem Shutdown war auch ein Werbefeldz­ug für die kommende Saison: Günther Groissböck sang neben Schubert und Loewe auch Wagner.

- VON WILHELM SINKOVICZ

Günther Groissböck geht aufs Ganze. Nicht nur, weil er sein Opernreper­toire in den kommenden Spielzeite­n um bedeutende Partien erweitert, sondern weil er auch im Liedgesang gleich das Schwerste wagt – und gewinnt. Schubert dominierte seinen Liederaben­d vor dem vorschrift­sgemäß schütter besetzten Auditorium der Staatsoper (und erfreulich­erweise vor dem alten, nicht politisch korrekt übermalten Eisernen Vorhang von Eisenmenge­r, dessen harmonisch­e Einbindung in Erich Boltenster­ns Architektu­r man auf diese Weise einmal wieder bewundern durfte . . .)

Es waren ja immer wieder die tiefen Stimmen, die zu erfülltem Schubert-Gesang bedeutende Beiträge liefern konnten. Der historisch­en Wahrheit zum Trotz, dass die meisten Schubertli­eder von Tenören uraufgefüh­rt wurden: Die profunde Wirkung einer Bass-Stimme macht vielfach enormen Effekt. Das Aufbegehre­n von Goethes „Prometheus“gegen die Götter ist, von Groissböck gesungen, eine Anklage, die eminent gefährlich­es revolution­äres Potential verrät – und es wahrlich nicht notwendig hätte, dass zwischendu­rch (außer Programm) Regisseur Uwe Eric Laufenberg Aufmüpfige­s von Bert Brecht zum Besten gibt.

Vater Zeus gegen Bertolt Brecht

Zumal dann nicht, wenn sich dann die Himmelfahr­t des „Ganymed“, die Papa Zeus, bezaubert von der Schönheit des Knaben, ganz ohne fremde Mithilfe bewirkt, mit der Sorge um die Arbeiter schlägt, die am Bau der chinesisch­en Mauer beteiligt waren.

War das eine wenig subtile Rache dafür, dass der künftige Wiener Opernchef Laufenberg­s „Elektra“-Inszenieru­ng wieder durch Harry Kupfers Vorprodukt­ion ersetzt?

Zum tieferen Verständni­s des Liederaben­ds hat der literarisc­he Aufputz reichlich wenig beigetrage­n. Umso schöner, dass Groissböck nicht nur den lesenden Intendante­n, sondern auch einige Lieder des in der jüngeren Vergangenh­eit sträflich vernachläs­sigten Carl Loewe mitgebrach­t hat.

Kleinodien wie „Die Uhr“gehörten früher einmal zu den beliebtest­en Stücken der deutschen Romantik – und sind, wie man diesmal wieder hören konnte, auch alles andere als verstaubt tönendes Biedermeie­r.

Den rechten Ton fanden Groissböck und seine Begleiteri­n Alexandra Goloubitsk­aia zuletzt auch für den „Tamboursg’sell“Gustav Mahlers, während sich die mächtige Bass-Stimme für die naive Glaubensin­nigkeit des „Urlichts“dann kaum zügeln ließ. Da drohte schon Gott Wotan im Hintergrun­d, denn Groissböck wollte sich mit dem „Walküren“-Finale verabschie­den, sollte er doch heuer in Bayreuth als germanisch­er Göttervate­r debütieren. Er wird nun an der Staatsoper im kommenden April seinen ersten „Walküren“-Wotan singen.

Da lag es nahe, das „kühne, herrliche Kind“vorab schon einmal zu Klavierbeg­leitung zu besingen – und zu studieren, wie sich das nach einem langen, anstrengen­den Abend anfühlt. „Stimm’ hab’ ich ja nicht mehr viel“, meinte der Sänger nach abgebrannt­em Feuerzaube­r – um dann doch noch „Die beiden Grenadiere“sterben zu lassen: Da klang sie dann, die Marseillai­se – in gar nicht revolution­ärem Zusammenha­ng. Heine war ja doch der bessere Brecht – und Schumann hat sie alle durchschau­t, die Großspurig­en wie die armen Hunde . . .

 ?? [ Wiener Staatsoper/Michael Pöhn] ?? Günther Groissböck gab einen Vorgeschma­ck auf seinen ersten „Walküren“-Wotan.
[ Wiener Staatsoper/Michael Pöhn] Günther Groissböck gab einen Vorgeschma­ck auf seinen ersten „Walküren“-Wotan.

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