EU will WTO-Chef stellen
Welthandel. Kommissar Hogan will Handelsorganisation leiten – Führungsanspruch der Europäer ist umstritten.
Brüssel. Phil Hogan hat seinen Hut in den WTO-Ring geworfen. Am Dienstag bestätigte der Ire, der in der EU-Kommission für Handelsfragen zuständig ist, dass er sich um den Posten des Generaldirektors der Welthandelsorganisation bewerben möchte: „Bei der Reform der Organisation steht eine wichtige Aufgabe bevor, um sie effektiver und effizienter zu machen.“
Der bisherige Chef, der Brasilianer Roberto Azevedo, hatte vor wenigen Wochen seinen Rückzug von der Spitze der in Genf beheimateten Organisation angekündigt – ein Jahr früher als geplant. Seit Montag können Bewerbungen eingereicht werden, die Frist läuft bis 8. Juli, die Stafettenübergabe am Genfer See soll Ende August erfolgen. Dass Azevedo vorzeitig den Posten räumte, dürfte mit den Problemen zu tun haben, mit denen sich die 1995 gegründete WTO momentan konfrontiert sieht: Die Zahl der Handelskonflikte steigt an, Wirtschaftskrise und Covid-19 lassen die Handelsströme versiegen – und die US-Regierung blockiert die WTO-Streitschlichtung, weil sie der Organisation vorwirft, zu wenig gegen unlauteren Wettbewerb aus China zu unternehmen.
Vor diesem Hintergrund wäre ein Anspruch der Europäer auf den WTO-Chefposten – über den die EU-27 aber noch entscheiden müssen – aus zwei Gründen herausfordernd. Erstens: Auch in der Handelsbeziehung USA–EU kracht es, was Hogan in Washington suspekt machen könnte. Denn der Anspruch der WTO ist es, ein unparteiischer Schiedsrichter zu sein.
Zweitens: Von den bis dato sechs WTO-Generaldirektoren kamen drei aus der EU – und keiner aus Afrika. Dieses Mal gibt es aber mit der kenianischen Weltbank-Veteranin Ngozi Okonjo-Iweala eine profilierte afrikanische Interessentin. Ebenfalls am Start steht der Mexikaner Jesu´s Seade Kuri. Ob ein Europäer unter diesen Ausgangsbedingungen die Mehrheit der 164 WTO-Mitglieder überzeugen kann, ist alles andere als sicher. (la)