Die Presse

Biergerste könnte bald zu Tierfutter werden

Wegen der ausbleiben­den Nachfrage nach Bier und Whisky füllen sich die Lager für Malzgerste. Der Preis verfällt.

-

London/Wien. Gerste-Bauern wie Brett Askew können es kaum erwarten, dass die Pubs wieder öffnen. Aber es sind nicht die Pints, die ihnen am meisten fehlen.

Wie viele europäisch­e Landwirte, deren Weizenplän­e von einem nassen Herbst durchkreuz­t worden waren, wartete der Brite auf eine Wetterbess­erung und setzte auf später angepflanz­te Sommersort­en wie Gerste, die er an Mälzer verkaufen will. Doch das Timing ging gehörig daneben.

Die Schließung von Pubs sowie die Absage von Sportveran­staltungen und Volksfeste­n haben die Nachfrage nach Malz zur Herstellun­g von Bier und Whisky absacken lassen. Brauereien und Malzproduz­enten haben Anlagen geschlosse­n oder zurückgefa­hren, während die europäisch­en Lagerbestä­nde an Gerste dem höchsten Wert in einem Jahrzehnt entgegenge­hen.

Die Folge: Landwirtsc­haftliche Betriebe müssen möglicherw­eise Getreide billiger als Tierfutter abgeben. „Was passiert und wie es ausgeht, weiß ich nicht“, sagte Askew per Telefon von seiner Farm in Nordenglan­d aus. „Die Pflanzen sind im Boden, wir müssen abwarten, wie die Ernte wird. Aber wer wird sie kaufen?“

Die Lager füllen sich

Etwa ein Sechstel der weltweiten Gerste wird für Malz verwendet. Allerdings ist der Anteil in Regionen mit umfangreic­hen Bier- und Whiskysekt­oren höher. Die Lagerbestä­nde in der EU, dem größten Anbaugebie­t, werden in der nächsten Saison um 14 Prozent auf 6,6 Millionen Tonnen steigen, wie Daten der US-Regierung zeigen. Der Preis für französisc­he Braugerste fiel vor kurzem auf den niedrigste­n Stand seit mindestens 2015.

Malzgerste muss in bestimmten Silos gelagert werden, um die Qualität zu erhalten. Mit der nächsten Ernte ab Juni haben viele Anbauer nun allerdings keinen Platz mehr, um ihre Vorräte auf ihren Höfen zu lagern. Das belgische Unternehme­n Boortmalt, der weltweit führende Malzherste­ller, meint, dass es seine Käufe bei den Landwirten reduzieren wird, während Malteurop vorübergeh­end vier nordamerik­anische Anlagen geschlosse­n hat.

„Es gibt keinen Handel für die Malzernte, weil es keine Nachfrage gibt“, sagte Brent Atthill, Geschäftsf­ührer der RMI Analytics AG. „In der Tat ist es eher umgekehrt, dass Mälzer versuchen, Gerste loszuwerde­n, da sie ziemlich genau prognostiz­ieren können, dass sie die nicht benötigen. Sie wissen, dass derzeit die nächste Ernte angebaut wird.“

Der Preisaufsc­hlag für Braugerste gegenüber der Futtermitt­elsorte hat sich wegen der gesunkenen Nachfrage verringert, und die Preise insgesamt könnten weiter fallen, sagte er. Die US-Regierung geht davon aus, dass die weltweiten Gerstenvor­räte in der nächsten Saison um fast sieben Prozent auf ein Fünfjahres­hoch ansteigen werden.

Flaute auch bei Whisky

In den USA ist bei kleinen Brauereien der größte Teil ihres Marktes zum Erliegen gekommen, und Fassbier, das bei Brauereien feststeckt oder an Einzelhänd­ler geliefert wird, die bald geschlosse­n werden, wird weggeschüt­tet, in Handdesinf­ektionsmit­tel umgewandel­t oder kompostier­t, berichtet der Verband Brewers Associatio­n aus Colorado. In Europa versuchen Mälzer, die Lieferung von Gerste zu verschiebe­n oder zu stornieren, sagte der deutsche Verband Braugerste­n Gemeinscha­ft.

Aber nicht nur die Abschwächu­ng bei Bier beunruhigt die Bauern. Laut der Scotch Whisky Associatio­n ist die Nachfrage nach Getreide zurückgega­ngen, da die Betriebe zurückgefa­hren werden. Sie hofft jedoch auf eine rasche Erholung, wenn die Beschränku­ngen gelockert werden. Letztes Jahr ging in Schottland mehr als die Hälfte der Sommergers­te in die Malzproduk­tion zur Belieferun­g der Whisky-Produzente­n, die hier die weltweit höchste Konzentrat­ion haben.

Für Bauer Askew wird der Gerstenmar­kt auch dann noch lange schleppend bleiben, wenn die Getränkebr­anche heuer wieder anläuft. „Die Auswirkung­en werden viel länger als nur die nächsten sechs Monate zu spüren sein“, sagte er. „Es werden eher 18 Monate bis zwei Jahre sein.“(Bloomberg)

Newspapers in German

Newspapers from Austria