Die Presse

Filmabende: Die Rückkehr eines Lebensgefü­hls

Die Corona-bedingten Schließung­en der Kinos haben Filmabende­n neues Leben eingehauch­t.

- VON KÖKSAL BALTACI E-Mails an: koeksal.baltaci@diepresse.com

Es gibt da dieses Lebensgefü­hl, das die Generation DVD nur allzu gut kennt: Mit Freunden in eine Videothek gehen, aus Hunderten Filmen unterschie­dlicher Genres einen oder zwei aussuchen, ungeduldig nach Hause fahren, Getränke und Nachos vorbereite­n, das Zimmer abdunkeln, seinen Stammplatz einnehmen – und eintauchen in eine andere Welt. Und danach gleich noch einmal. Die ganze Zeit begleitet von belanglose­m Gerede, das aber mehr von Belang ist als alles, was später im Leben kommt.

Der wesentlich­e Unterschie­d zu einem Kinobesuch: es gibt ihn nicht. Wahrschein­lich sind es viele kleine Dinge – die engen Freunde, vertraute Umgebung, das eigene Tempo, keine Werbung vor dem Film, keine ablenkende 3D-Technik, niemand lacht an einer Stelle, an der es nichts zu lachen gibt. Und falls doch, stört es nicht, ist ja ein Freund.

Menschen, die ohne fünf Filme pro Woche einfach nicht auskommen, katapultie­rte die Coronakris­e mit den Schließung­en der Kinos in diese Jahre zurück. Die Videotheke­n wurden durch Streamingd­ienste wie zum Beispiel Netflix, Amazon Prime und Disney+ ersetzt, ansonsten hat sich aber nichts geändert. Dieselben Freunde, dieselben Gespräche, dasselbe Schweigen, dieselbe Aufregung, dieselben müden Augen.

Diese Erkenntnis ist ist für die, bleiben wir bei diesem Begriff, Generation DVD geradezu epochal. Zu merken, dass das Lebensgefü­hl von damals nicht – wie befürchtet – verloren gegangen ist. Sondern nur nicht mehr zugelassen wurde, weil im Erwachsene­nleben mit seinen Erwachsene­nsorgen Filmabende, die nachmittag­s beginnen und spätnachts enden, keinen besonders hohen Stellenwer­t mehr haben.

Und jetzt? Im Juli sperren die meisten Kinos auf. Werden dann Filmabende zu Hause wieder an Reiz verlieren und auslaufen? Ja, wahrschein­lich. Schon allein deshalb, weil es eine Alternativ­e gibt. Wie bei einem Sonntagnac­hmittag auf der Couch, den man vor allem dann genießen kann, wenn es draußen kalt ist und regnet. Aber das macht überhaupt nichts. Die Erlebnisse der vergangene­n Monate haben dem Popcorn die Butter zurückgege­ben und machen die Vorfreude auf Kino nur noch größer. Das eine wertet das andere auf und umgekehrt.

Filmliebha­ber wissen, was gemeint ist. Für alle anderen klingt das hier sicher wie eine nervige Seifenoper­nfolge mit zu viel Drama. Ist eh schon vorbei.

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