Wer betreut die Kinder im Sommer?
Vorstoß. Der Urlaub ist aufgebraucht, und die Großeltern sind nicht verfügbar: Die Sommerferien werden zum Problem. Die Grünen fordern eine „Bildungs- und Betreuungsoffensive“.
Die neunwöchigen Sommerferien könnten ein riesiges Betreuungsproblem bringen.
Wien. Ganze neun Wochen haben die rund 700.000 Schüler zu Hause verbracht, bevor sie am Montag wieder in die Schule zurückkehren. Für die Sechs- bis 14-Jährigen folgen nun sieben bzw. acht Wochen Unterricht (wobei es sich aufgrund des Schichtbetriebs genau genommen nur um halbe Wochen handelt). Dann starten die neunwöchigen Sommerferien. Für Eltern ist das eine organisatorische Herausforderung. „Wir steuern auf ein riesiges Betreuungsproblem im Sommer zu“, warnt die grüne Bildungssprecherin Sibylle Hamann im Gespräch mit der „Presse“.
In vielen Elternhäusern sei der Urlaub schon in den vergangenen Wochen verbraucht worden. Denn auch da galt es, Kindergartenkinder und jüngere Schulkinder zu betreuen. Die Großeltern sind hierfür ausgefallen. Das wird sich auch im Sommer bei vielen nicht ändern. Der verbleibende Urlaub reicht laut einer Sora-Umfrage für jede dritte Familie nicht aus, um die Kinderbetreuung sicherzustellen. Überhaupt würde die Wirtschaft, die nun wieder hochfährt, wohl gerade im Sommer flexible Mitarbeiter brauchen. „Aus all diesen Gründen braucht es eine Bildungs- und Betreuungsoffensive für den Corona-Sommer“, fordert Hamann. Das würde nicht nur den Eltern helfen, sondern auch den Kindern guttun, denen der Kontakt zu Gleichaltrigen fehlt.
Die Vorstellung der Grün-Politikerin geht dabei deutlich weiter als die des türkisen Bildungsministers, Heinz Faßmann. Er hat zuletzt einen Sommerunterricht angekündigt. Die Ferien werden zwar nicht für alle Schüler verkürzt. Aber die Kinder, die Förderung brauchen, sollen schon im August wieder zurückgeholt werden. Der Minister dürfte dabei vor allem die Kinder in den Deutschförderklassen sowie jene Schüler, die in den vergangenen Wochen nicht erreicht werden konnten, im Auge haben.
Die Einrichtung der „Sommer Schools“ist schon im Koalitionspakt festgeschrieben. An der Umsetzung wird noch gefeilt. Immerhin müssen dafür Pädagogen gefunden werden. Verpflichten kann man sie zum Unterricht im Sommer nämlich nicht. Deshalb sollen vermehrt auch Lehramtsstudenten eingesetzt werden. Ihnen werden dafür zusätzliche ECTS-Punkte (Einheit, anhand derer die Studienleistung gemessen wird) versprochen.
Im Koalitionspakt ist neben „Sommerunterricht“aber auch „mehr Ferienbetreuung“festgeschrieben. Und genau die wünscht sich die grüne Parlamentarierin nun. (Übrigens genauso wie SPÖ-Bildungssprecherin Sonja
Hammerschmid. Siehe Artikel unten.) Dafür fühlt sich der Minister aber nicht zuständig. Dass Lehrer in den Osterferien die Betreuung übernommen haben, sei eine Ausnahme gewesen und werde sich im Sommer nicht wiederholen. Denn Ferienbetreuung sei „nicht primär Aufgabe des Bildungssektors“, so Faßmann. „Wir sind eine Bildungsinstitution und keine Freizeitbetreuungsinstitution.“
Dessen ist sich auch Hamann bewusst. Dennoch setzt sie auf die Unterstützung der Schulen. Dort solle zumindest der Betreuungsbedarf, der in den Ferien in den Familien bestehen wird, erhoben werden. Die Schulen könnten zudem über die vielfältigen Angebote informieren. Im Idealfall sollte auch die Anmeldung via Formular über die Schule erfolgen, die Beiträge sollten sozial gestaffelt sein.
„Das ist kein Dauerzustand“
Es brauche hier gemeinsame (finanzielle) Anstrengungen von Bund, Ländern und Gemeinden, sagt Hamann. Die Betreuung selbst sollen neben öffentlichen Institutionen auch NGOs und Vereine übernehmen. Kindergärten sollten im Sommer nicht schließen.
Noch ist davon nichts fixiert. Es sei aber klar, sagt Hamann, dass die derzeitige Situation „kein Dauerzustand ist“. Der Staat habe sich in der Coronakrise darauf verlassen, „dass da schon jemand zu Hause ist, der sich um die Kinder kümmert“. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sei völlig privatisiert worden. Das sei für die Wirtschaft problematisch und ein gesellschaftliches Problem. „Die Krise hat alte Muster wieder aufleben lassen.“Um Kinderbetreuung hätten sich vor allem die Mütter gekümmert. „Da müssen wir jetzt schleunigst wieder raus.“
Die Betreuung im Sommer soll, wenn es nach der grünen Bildungssprecherin geht, so oft es geht im Freien stattfinden. Schon das grün geführte Gesundheitsministerium hat in seinen Empfehlungen für den Kindergarten zuletzt festgeschrieben, dass die Betreuung „nur wenn notwendig oder nicht anders möglich“in geschlossenen Räumen stattfinden soll.
Die Krise hat alte Muster aufleben lassen. Da müssen wir jetzt schleunigst wieder raus.“
Sibylle Hamann
Grüne Bildungssprecherin