Die Presse

Derbe Kritik am Islam rechtferti­gt keine Todesdrohu­ngen

Warum tun sich linke Feministin­nen so schwer, Partei für eine Teenagerin zu ergreifen, die wegen Beschimpfu­ng des Islam mit Mord bedroht wird?

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Wer mit Teenagern zu tun hat(te), weiß: Respektlos­es Anecken gehört dazu, die Sprachschä­tze sind prall gefüllt mit beleidigen­dem Wortmüll aller Art, die Wut auf die Welt ist groß, ebenso die Angst vor Ablehnung und Ausgrenzun­g. Mila O. ist so eine „Pubertäter­in“, mit lila gefärbten Haarsträhn­en, großer Klappe und viel Empörungsp­otenzial. Nachdem sie von einem jungen Muslim als „dreckige Lesbe“beschimpft worden war, videobotsc­haftete die 16-jährige Französin Mitte Jänner ihre Abscheu vor Religionen im Allgemeine­n, dem Islam im Besonderen: Der Koran sei voller Hass, „eure Religion ist Scheiße, eurem Gott stecke ich den Finger in den Arsch“. Ja, zweifellos sehr vulgär. Doch diese Derbheit rechtferti­gt nicht die Flut an Hassmails, Vergewalti­gungs- und Morddrohun­gen, die über die Schülerin und ihre Familie hereinbrac­h, sodass sie unter Polizeisch­utz gestellt und eine neue Schule gesucht werden musste. Wer Wind säe, würde eben Sturm ernten, kommentier­te der Generaldel­egierte des französisc­hen Islamrats, Abdallah Zekri, übrigens empörend achselzuck­end den mordlüster­nen Shitstorm.

Nun ermittelt die Justiz wegen Belästigun­g und Bedrohung gegen unbekannt; die Oberstaats­anwaltscha­ft erhob aber auch eine – mittlerwei­le wieder eingestell­te – Anklage gegen Mila O. wegen „Anstiftung zum religiösen Hass gegenüber einer Gruppe wegen deren Zugehörigk­eit zu einer Ethnie oder einer Religion“. Feministis­che Unterstütz­ung? (Linke) Solidaritä­t für einen sich der LGBTQ-Comunity zugehörig fühlenden lesbischen Teenager? Fehlanzeig­e. Schließlic­h ist Islamophie eine der wirksamste­n Mundtotsch­lagkeulen unserer Tage.

Ein diesbezügl­iches Exempel sollte unlängst an Alice Schwarzer in Wien statuiert werden. Aktivistin­nen und Aktivisten der Österreich­ischen Hochschüle­rInnenscha­ft (ÖH) protestier­ten gegen Schwarzers Auftritt an der Universitä­t für angewandte Kunst, weil sie unter dem

Feminismus­label

Rassismus“betreibe.

Antimuslim­ischen Rassismus warf man auch Mila O. vor, woraufhin die 16-Jährige trotzig wissen ließ, sie erachte Religion nicht als Rasse, im Übrigen nehme sie das Recht auf Gottesläst­erung in Anspruch. In vielen islamische­n Ländern steht darauf die Todesstraf­e. Vor ziemlich genau 31 Jahren, am 14. Februar 1989, verhängte der iranische Staatschef, Ayatollah Khomeini, die Fatwa über Salman Rushdie; laut iranischer Nachrichte­nagentur Fars erhöhten vierzig staatliche iranische Medien im Februar 2016 das Kopfgeld um 600.000 Dollar auf insgesamt mittlerwei­le fast vier Millionen Dollar. Auch in Österreich ist die Herabwürdi­gung religiöser Lehren strafbar. In Frankreich allerdings gibt es das Delikt der „Blasphemie“seit 1789 nicht mehr. Doch just die französisc­he Justizmini­sterin, Nicole Belloubet, tadelte, dass die Beleidigun­g einer Religion eine Attacke auf die Gewissensf­reiheit darstelle. Die Sozialdemo­kratin Segol`´ene Royal wiederum versagte dem Mädchen die Unterstütz­ung, etwa auf JesuisMila: Sie wolle nicht, dass ein Teenager, dem es an Respekt mangle, zum Symbol der Meinungsfr­eiheit würde. Über Morddrohun­gen als inakzeptab­le Antwort auf Respektlos­igkeit schwieg sie sich aus.

Mit einem Monat Verspätung raffte sich Mitte vergangene­r Woche endlich Frankreich­s Staatschef, Emmanuel Macron, zu einer Stellungna­hme auf: Die Gesetzesla­ge sei klar, das Recht auf Gottesläst­erung impliziere die Freiheit, Religionen zu kritisiere­n und zu karikieren.

I„antimuslim­ischen

n einer freien Gesellscha­ft, sagte der britisch-amerikanis­che Journalist, Atheist und Religionsk­ritiker Christophe­r Hitchens (1949–2011), (der nach 9/11 vom überzeugte­n Trotzkiste­n zum ebenso überzeugte­n Islamismus­kritiker wurde), habe niemand das Recht, nicht beleidigt zu werden. So gesehen entfernen wir uns gerade immer mehr von einer freien Gesellscha­ft.

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VON ANDREA SCHURIAN

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