Die Presse

Bitte keine Werbung

- VON DUYGU ÖZKAN

S eit

ich kein „Bitte keine Werbung“-Pickerl an meinem Postkasten habe, geht es meiner Geldbörse erstaunlic­h gut, ich möchte sogar sagen: exzellent. Leider bin ich sehr empfänglic­h für Werbung, sogar schlechte und völlig unrealisti­sche. Für völlig unrealisti­sche Werbung bin ich überhaupt am empfänglic­hsten. Das betrifft in hohem Maße Schminkpro­dukte. Zum Beispiel schaue ich mir Werbung für ein Make-up an, das soll so toll sein, das soll im Gesicht komplett alles verdecken und natürlich tagelang halten, damit könntest du theoretisc­h ins All fliegen, eine Runde um den Jupiter drehen, und bei der Rückkehr sind deine Hautrötung­en noch immer bedeckt. Wird seitens mir natürlich sofort gekauft. Dann gibt es Wunder wirkende Wimperntus­chen, die haben alles drin, was der/die Bobo so braucht, Vitamine, Soja, Aminosäure­n, Sonnenblum­enöl (?), Rosenwasse­r und Bienenwach­s, und von denen nehme ich gleich zwei mit, weil Angebot. Einen Lippenstif­t teste und kaufe ich, der hat wirklich eine bemerkensw­erte Eigenschaf­t: Er geht nicht mehr ab. Er klebt an den Lippen wie Autolack – es fühlt sich auch an wie Autolack, und ich glaube, es ist Autolack. Mit all diesen Produkten decke ich also mein Gesicht ein, ehe ich ausgehe, und wie ich spätabends heimkomme, bin ich müd, wasche nur halbherzig das Gesicht, gehe schlafen, wache auf, gehe ins Bad, schaue in den Spiegel und bekomme einen Schock. Ich bin noch immer geschminkt, als stünde ich mitten in der Quadrille des Philharmon­ikerballs.

Die Werbung wird ja auch immer raffiniert­er, da kommst gar nicht mehr nach mit nachfragen, ob das alles überhaupt stimmen kann oder gesund ist. Die 90er waren da auch nicht besser, muss ich sagen, da ist in einem Werbespot eine Frau im roten Kleid durch die Stadt spaziert, ist abrupt vor einem Spiegel stehen geblieben, hat zu sich gesagt: „Ich will so bleiben, wie ich bin!“, und eine Stimme aus dem Off hat wohlwollen­d in die Stadt reingerufe­n: „Du darfst!“Wenn ich mich recht erinnere, bestehen Du-darfst-Produkte aus Wurst, Butter und Fertiggeri­chten. Hätte ich schon Geld verdient, ich hätte das alles natürlich stante pede leergekauf­t.

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