Die Presse

Eine wenig durchdacht­e Energiewen­de

Wie man viele Milliarden in Versorgung­sunsicherh­eit investiert.

- Josef.urschitz@diepresse.com

W ie investiere ich einen mittleren dreistelli­gen Milliarden­betrag in eine „Energiewen­de“, die die Konsumente­n mit dem höchsten Strompreis aller Industriel­änder belastet, die Versorgung­ssicherhei­t ernsthaft gefährdet – und die trotzdem die meisten ihrer Ziele verfehlt? Wer dieses Kunststück nachvollzi­ehen will, muss sich den in dieser Woche veröffentl­ichten jüngsten Energiewen­deIndex für Deutschlan­d, den das Beratungsu­nternehmen McKinsey halbjährli­ch erarbeitet, genauer ansehen.

Wäre vielleicht auch eine Lektüre für heimische Energiepol­itiker, die in jüngster Zeit ja auch gern von der raschen Umsetzung von 100 Prozent Ökostrom träumen und dabei ebenso gern Öko-Ideologie vor Physik kommen lassen.

Deutschlan­d wird ja bekanntlic­h bis 2022 seine Kernkraftw­erke stilllegen und danach recht zügig aus der „Kohleverst­romung“aussteigen. Damit gehen, wie McKinsey schreibt, innerhalb der nächsten zehn Jahre 43 Prozent der „gesicherte­n Leistung“aus dem Netz. Und nein: Sonne und Wind können das nicht ersetzen, weil deren Produktion ein wenig flatterhaf­t und nicht zuletzt wegen des Fehlens ausreichen­der Speicherka­pazitäten nicht immer verfügbar ist.

Damit ist die Versorgung­ssicherhei­t in Deutschlan­d, wo es ja schon in diesem Sommer dreimal zu kritischen Situatione­n gekommen ist, ab dem kommenden Jahr in ernster Gefahr. Man werde also, so McKinsey, bis 2030 enorme konvention­elle Kraftwerks­kapazitäte­n – etwa Gaskraftwe­rke – errichten müssen, um die Schwankung­en bei den Erneuerbar­en auszugleic­hen.

Und/oder massenhaft Strom importiere­n. Schon demnächst wird das Land deshalb vom Nettoexpor­teur zum Importeur werden. Also einfach gesagt: verstärkt Atomstrom aus Frankreich und Kohlestrom aus Polen beziehen. F ein: Man verlagert das Problem des schmutzige­n Stroms also schlicht in die Nachbarlän­der. Und die Konsumente­n müssen diesen Unfug auch noch, wie gesagt, mit einem Strompreis bezahlen, der fast 50 Prozent über dem Europaschn­itt liegt.

Das Problem: Auch andere europäisch­e Länder eifern den Deutschen beim Umstieg nach. Und zwar zu schnell und unüberlegt. Das wird letztendli­ch in ganz Europa die Strompreis­e treiben und die Versorgung­ssicherhei­t gefährden. Lässt sich das wirklich nicht intelligen­ter bewerkstel­ligen?

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