Wenn der Handelskrieg noch lange dauert
USA. Einiges deutet darauf hin, dass der US-chinesische Disput vor November 2020 nicht gelöst werden wird. Für Aktionäre kann es deshalb sinnvoll sein, sich auf eine längere Trockenperiode einzustellen.
New York. Jetzt sind sie sich nicht einmal mehr einig, ob sie telefoniert haben. China habe angerufen, sagte Donald Trump vergangene Woche, um „sich wieder an einen Tisch zu setzen“. Stimmt nicht, verlautete vom Außenministerium in Peking kurz darauf. Den US-Präsidenten ärgerte das so sehr, dass er seinen Finanzminister, Steven Mnuchin, während einer Pressekonferenz unterbrach. Auf hoher Ebene habe man gesprochen, sagte Trump, nachdem Mnuchin China erwähnt hatte.
Da ist der Wurm drin, und wenig deutet darauf hin, dass sich Washington und Peking in absehbarer Zeit handelseins werden. Experten senden mittlerweile Kommentare aus, wonach sich Investoren auf einen noch lang andauernden Streit vorbereiten sollen. Wie lange? Zumindest bis zu den USWahlen im November 2020. Das Argument: Aus politischer und verhandlungstaktischer Sicht hat es für beide Seiten Sinn, bis dahin weiter zu streiten – freilich ohne den Konflikt völlig eskalieren zu lassen.
So hat Chinas Präsident Xi Jinping ein Ass im Ärmel, auf das Trump, wenn auch ungern, verzichten muss. Er kann der Zentralbank sagen, was sie zu tun hat. Als Trump Anfang August weitere Zölle auf chinesische Importe ankündigte, antwortete Peking mit einer Lockerung der Geldpolitik und einer Schwächung seiner Währung. Ewig wird China dieses Spiel nicht spielen können, aber ein gutes Jahr hält das die zweitgrößte Volkswirtschaft schon noch aus – in der Hoffnung, dass Trump 2020 verliert und ein chinafreundlicherer Präsident übernimmt.
Trump wiederum wird den Druck hoch und das Thema am Köcheln halten. Selbst Erzfeinde wie der oberste Demokrat im Senat, Chuck Schumer, stärken dem Weißen Haus im Handelskrieg den Rücken. Ein gemeinsamer Feind macht sich im Wahlkampf gut, entsprechend ist der Präsident nicht daran interessiert, das Thema aufzugeben. Vor einer kompletten Eskalation wird er sich hüten, eine Rezession würde ihn vermutlich die Wiederwahl kosten. Aber ein weiteres Hin und Her, so wie wir es zuletzt beobachten konnten, schadet Trump kaum. Noch kein Grund zur Panik
Für Aktionäre verheißt das nichts Gutes. Für einen Kurssprung wäre wohl eine Einigung im Disput nötig. Schließlich hängt der globale Markt momentan am Tropf der USWirtschaft, die als einzige der Industrienationen noch halbwegs rund läuft. Allerdings kühlte sich der Produktionsindex der Industrie in den USA zuletzt auf den niedrigsten Wert seit zehn Jahren ab, und Analysten rechnen mittlerweile mit drei Quartalen an schrumpfenden Firmenprofiten.
Nichtsdestotrotz ist der S&PIndex seit Jahresanfang um 15 Prozent gestiegen, auch nach zuletzt gesehenen Einbrüchen ist er nur rund fünf Prozent von seinem Allzeithoch entfernt. Treffen hohe Bewertungen auf schlechte Fundamentaldaten, ist das Risiko hoch. Brodelt der Handelskrieg weiter, dürfte es nach unten gehen. Es muss nicht zwingend zu einer Rezession und einem Bärenmarkt kommen, der expansiven Geldpolitik in Europa und den USA sei Dank. Aber das Potenzial ist begrenzt, eine Trockenperiode könnte ins Haus stehen, zumal auch aus Italien und Großbritannien Gefahren drohen.
Was also tun? Experten empfehlen in solchen Phasen gerne das „stock picking“, etwa den Fokus auf
dividendenstarke Konsumgüterfirmen zu richten. Mit Nestle,´ dem Klassiker für unsichere Zeiten, hat das zuletzt sehr gut funktioniert, doch vor allem in den USA klappt auch das nicht mehr. So bewegten sich die elf Sektoren des S&P 500 zuletzt im Gleichschritt. An elf Handelstagen im August legten sie alle zu oder verloren alle, das gab es zuletzt im Jänner 2016. Die Chance, dass es in den nächsten Monaten im Gleichschritt seitwärts oder leicht abwärts weitergeht, ist groß.
Das ist kein Grund für Panik. Wer beispielsweise einen langfristigen Sparplan verfolgt, muss daran nicht viel ändern. Eine kleine Umschichtung, etwa hin zu US-Staatsanleihen, wäre eine Option. Auch eine geringfügige Verringerung der Einzahlungen könnte sinnvoll sein, um ein wenig Cash anzusammeln, das möglicherweise in zeitlicher Nähe zur US-Wahl, vor einem eventuellen Ende des Handelskriegs, investiert werden könnte. Jedenfalls: Für große Zukäufe ist jetzt eher der falsche Zeitpunkt.