„Arbeitsverhältnisse nicht mehr eindimensional“
Neues Arbeiten. Digitalisierung findet auch im Arbeitsleben statt: Crowdsourcing und Gig-Arbeit werden in Zukunft zunehmen, aber traditionelle Arbeitsformen nicht verdrängen, sagen die Expertinnen Elisa Aichinger und Shilpa Shah.
Viel und gern wird über die Digitalisierung von Prozessen und Geschäftsmodellen diskutiert – oder mit welchen Versäumnisse einzelne Unternehmen und Branchen in dieser Hinsicht zu kämpfen haben.
Was mitunter übersehen wird: Auch der Arbeitsmarkt digitalisiert. 4,1 Milliarden Menschen sind über das Internet miteinander verbunden. Das macht es für Unternehmen – zumindest in der Theorie – einfacher, die „richtigen Menschen zum richtigen Zeitpunkt für die richtigen Aufgaben“zu finden, wie Shilpa Shah, Director bei Deloitte UK, sagt. Sie sieht hier vor allem Crowdsourcing und Gig-Arbeit als Chancen – wie sie nicht müde wird zu betonen – für beide Seiten: für Arbeitnehmer wie für Arbeitgeber.
Wobei Crowdsourcing wenig mit den bekannten Arbeitsverhältnissen zu tun hat, sondern meint, bislang interne (Teil-)Aufgaben an User zu übertragen und sich zumindest Ideen zu holen, die innerhalb des Unternehmens nicht gefunden werden (können). User, die sich auf den entsprechenden Plattformen tummeln, so lautet die Annahme, seien gern bereit, ihr Wissen (kostenlos) zu teilen.
Hinter Gig Work steckt ein Arbeitskonzept, bei dem sehr kleine Aufträge kurzfristig an unabhängige Selbstständige oder geringfügig Beschäftigte vergeben werden. Auch hier sind meist Plattformen dazwischengeschaltet. Momentan
konzentriert sich Gig-Arbeit sehr stark auf Programmiertätigkeiten, doch sei sie auch in allen möglichen anderen Branchen denkbar. Die Gig-Arbeiter erwarten sich neben dem Einkommen hohe Flexibilität und Freiheit, Jobs anzunehmen oder nicht.
Diese neuen Kollaborationsformen sieht Shah als Ergänzung zu den bestehenden Modellen wie Arbeits- und Werkvertrag. Sie sieht sie aber auch als Chance für Menschen, die etwa in Elternkarenz sind, oder für ältere und pensionierte Experten, ihr Wissen und ihre Erfahrung sinnvoll einzusetzen. In Großbritannien, sagt sie, mache Gig-Arbeit rund vier Prozent der geleisteten Arbeit aus, und gut 40 Prozent der Millennials in Europa, also die in den 1980erund 1990er-Jahren Geborenen, könnten sich vorstellen, als GigArbeiter tätig zu werden.
Allerdings gebe es noch viel zu tun: etwa in rechtlicher Hinsicht. Noch gebe es kaum spezielle gesetzliche Regelungen für Gig-Arbeit. Und es bedürfe guter Ausbildung, die weder technisches Wis
83 Prozent der Unternehmen rechnen mit Zunahme, 47 Prozent setzen sie bereits in Form von Kooperation mit anderen Organisationen, Leiharbeitskräften o. ä. ein, ergab eine Deloitte-Studie. Crowdsourcing und Gig-Arbeit werden momentan kaum eingesetzt. sen noch emotionale Intelligenz vernachlässige und klarerweise eine unternehmerische Einstellung mit der Bereitschaft zu experimentieren brauche.
Die Entwicklung zeige, dass „Arbeitsverhältnisse nicht mehr eindimensional“sind, sagt Elisa Aichinger, Director bei Deloitte Österreich. „Menschen setzen ihre Arbeitskraft so ein, dass sie am meisten davon profitieren.“Das muss nicht unbedingt den finanziellen Profit bedeuten, sondern meint oft die persönliche Weiterentwicklung. Etwa: neben einem Teilzeitjob an einem Projekt für einen anderen Auftraggeber zu arbeiten, mit dem Ziel, möglichst viel dazuzulernen.
In einer aktuellen Studie fand Aichinger heraus, dass 83 Prozent der befragten Unternehmen damit rechnen, dass die Relevanz von alternativen Arbeitsmodellen weiter steigen wird. Derzeit arbeiten bereits 47 Prozent tatsächlich mit alternativen Modellen – sie kooperieren mit anderen Organisationen, sie setzen Leiharbeitskräfte ein oder vergeben Werkverträge.
Crowdsourcing und Gig-Arbeit aber sind noch eher unbekannt, zudem halten viele Befragte den Einsatz alternativer Arbeitsmodelle für nicht branchenüblich. „Heimische Unternehmen orientieren sich in vielen Fragen stark am direkten Mitbewerb. Für innovative Konzepte in einer neuen Arbeitswelt ist das aber nicht zuträglich“, sagt Aichinger.
Neben den rechtlichen Unsicherheiten, die viele Unternehmen scheuen, befürchten sie auch unternehmenskulturelle Auswirkungen. „Im Alltag sind alternative Arbeitsformen oft besser mit der Unternehmenskultur vereinbar als gedacht. So sehen nur 21 Prozent auch nach der Einführung diesbezüglich noch Hürden“, sagt Aichinger. Überhaupt würden sich viel Risken in der Praxis relativieren; Wissens- und Kompetenzverlust sowie die erschwerte Zusammenarbeit im Team oder Qualitätseinbuße: Insgesamt, das ergab die Studie, sinken alle wahrgenommenen Risken, sobald neue Modelle der Zusammenarbeit in der Praxis angewendet werden.