„Die Wahl ist noch nicht entschieden“
Interview. SPÖ-Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda über die Chancen seiner Partei, verunglückte Auftritte im Wahlkampf und die Bereitschaft, als Juniorpartner in eine Regierung zu gehen.
Rainer Nowak stellt 13 Fragen an SPÖBundesgeschäftsführer Thomas Drozda.
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2017 war das zentrale Thema Flüchtlinge, jetzt ist es der Klimawandel. Das sind schwierige Zeiten für die SPÖ. 2017 war deutlich schwieriger. Beim Klimathema haben wir eine ganze Reihe von sehr guten Vorschlägen.
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Das scheint aber bei der Bevölkerung noch nicht so anzukommen. Sonst wären nicht die Grünen von zwei Prozent auf zweistellig gekommen. Das ist sicher eine Momentaufnahme, auch durch die deutsche Situation beeinflusst. Klar ist auch, dass man das Ganze nicht nur durch die ökologische Brille sehen kann, sondern auch die sozialen Verwerfungen sehen muss, die mit Lenkungsinstrumenten wie Steuern einhergehen. Das ist eine Erfahrung, die der französische Präsident auch gemacht hat.
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Sind Sie traurig, dass Christian Kern nicht mehr da ist? Als ehemaliger ÖBB-Chef könnte er das Thema stärker besetzen. Ich glaube, dass er sich 2017 wirklich reingehaut hat und einen intensiven Wahlkampf geführt hat. Der ist so ausgegangen, wie er ausgegangen ist. Er hat dann die Entscheidung getroffen, diese Position zur Verfügung zu stellen, und das ist in Ordnung so. Und das Ondit, das durch Wien geht, dass er um das Ibiza-Video herum angeklopft hätte, um zu helfen, und man hat abgelehnt? Ich weiß nicht, bei wem er angeklopft hätte. Also ich würde bei Thomas Drozda anklopfen. Das wäre mir aufgefallen.
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Wie würden Sie den Zustand der SPÖ beschreiben? Stabil und mit Luft nach oben. Schauen wir, wie es Ende September ausgeht.
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Also Sie halten es immer noch für möglich, dass Sie Platz eins machen? Ich glaube, dass diese Wahl noch nicht entschieden ist, und ich glaube schon gar nicht an diese 38 (Anm.: Prozent für die ÖVP). Offenkundig sind handwerkliche Fehler bei Ihnen in den vergangenen Wochen. Zum Beispiel: Thomas Drozda schnippt nach dem Chauffeur. Was war da los? Es gibt ehrlich gesagt weniger peinliche Szenen in meinem Leben als die, da gebe ich Ihnen recht. Es gibt die Macht der Bilder, die sind manchmal unvorteilhaft.
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Es geht nicht nur um Bilder, sondern auch um Aussagen von Parteigranden mit halber Kritik an der Parteichefin. Ein professioneller Auftritt ist immer ein disziplinierter Auftritt. In dem Sinn waren die Auftritte vieler über mehrere Monate nicht professionell. Aber ich habe den Eindruck, dass wir da eine Konsolidierung geschafft haben.
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Falls Sie nicht Platz eins machen: Sind Sie dann bereit, in eine Regierung zu gehen? Wenn man zu Gesprächen eingeladen wird, muss man die von jeder Position aus wahrnehmen. Und dann muss man schauen, was geht sich aus und was geht sich nicht aus. Mit den Freiheitlichen geht es sich sicher nicht aus.
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In der SPÖ ist die Abneigung gegen Sebastian Kurz so stark, dass es sich mit der ÖVP auch nicht ausgehen könnte. Ganz pragmatisch: Jedes Wahlergebnis macht Koalitionsmöglichkeiten und -Unmöglichkeiten. Durchs Verhandeln entsteht eine gewisse Dynamik. Dass das Verhalten von Teilen der neuen ÖVP nicht angetan war, Vertrauen zu erwecken, ist evident.
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Warum beschließen Sie eine Parteispendenregelung, mit der zu Recht die Großspenden eingeschränkt werden, nicht aber die Vereinskonstruktionen? Es kann nicht sein, dass man sich letztlich die Politik kauft. Das war aber so. Ich bin ja auch überzeugt, dass das Jahr 2018 alles an Spenden übertrifft, was dieses Land jemals gesehen hat. Man kann jetzt gern über den Pensionistenverband sprechen, aber dass der Pensionistenverband Christian Kern auf dem Cover seiner Zeitschrift hatte, ist nicht das größte Problem der Spendensituation. Wohl aber, dass die FSG Veranstaltungen übernimmt. Die Frage ist, sind das Veranstaltungen, die ohnehin stattgefunden hätten? Ohne Wahlkampf wahrscheinlich nicht. Die FSG macht dauernd Betriebsrätekonferenzen und lädt dazu Spitzenpolitiker ein. Ich sehe die Smoking Gun nicht.
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Sie gelten als Bobo, lieben teure Kunst, warum ist das ein Problem in der SPÖ? Es geht nicht um teure Kunst, sondern um gute Kunst und um ein Qualitätsbewusstsein. Ich habe nicht viele getroffen, denen diese Diskussion wichtig gewesen wäre. Das ist ein Ausmaß an Oberflächlichkeit, das man zur Kenntnis nehmen muss.
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Sie hatten vor drei Jahren noch einen der attraktivsten Posten des Landes im Kulturmanagement. Bereuen Sie nie? Ich habe schon oft darüber nachgedacht, ob der Schritt in die Politik richtig war. Klar ist, dass er die Lebensqualität nicht steigert. Aber so eine Möglichkeit hat man einmal im Leben, und ich glaube, ich hätte es mehr bereut, wenn ich es nicht gemacht hätte.
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Was wird das zentrale Thema der SPÖ? Jedenfalls die Frage der sozialen Gerechtigkeit. Wohnen ist da das wichtigste Thema. In Deutschland gibt es da schon eine Verstaatlichungsdebatte. Ich bin kein Freund der Verstaatlichung von BMW. Aber ich glaube, dass Wohnen nicht ein Gut wie jedes andere ist.
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Fühlen Sie sich manchmal von Journalisten verfolgt? Jeder Politiker fühlt sich ständig von Journalisten verfolgt.