Karneval auf Teneriffa: Eine Insel im Farbenrausch
Spanien. Auf den Kanaren feiern Zehntausende Menschen den zweitgrößten „Carnaval“der Welt.
Ausnahmezustand in der Inselhauptstadt von Teneriffa. Zur Karnevalszeit von Mitte Februar bis Anfang März sind die Tinerfen˜os wie im Rausch. Auf Dutzenden Bühnen in Parks, auf Plätzen und in den Straßen spielen Combos spanische und karibische Rhythmen. Familien, Freunde, Nachbarschaftsgruppen, Arbeitskollegen und Vereine ziehen verkleidet durch die Gassen oder lassen es sich in den Straßencafes´ gut gehen, bis tief in die Nacht.
Ein Trupp von Tänzerinnen bewegt sich, lautstark unterstützt von einer ausgelassenen Combo mit Trompeten und Trommeln, abends durch die Avenida de Francisco La Rocher in der Altstadt von Santa Cruz. Sie werfen die Beine ganz im Stil der Folies Berg`ere von Paris. Nicht so dünn, sondern eher rundlich, dazu in allerbester Stimmung lösen sie Begeisterung bei den Zuschauern aus. Ihnen folgen, ebenfalls in knappen Kostümen, römische Gladiatoren mit Pappschwertern, denen man nicht wünschen möchte, tatsächlich im Kampf auf Leben und Tod in der Arena zu stehen. Doch vielleicht würden sie ihre Gegner verwirren, mit ihren rosa Federpuscheln auf dem Kopf und farblich dazupassenden Handtäschchen. Eine endlos scheinende Folge von Rhythmusund Tanzgruppen kommt in abenteuerlichen und farbenprächtigen Verkleidungen daher. Kleine Prinzessinnen in Rosa und Weiß ziehen stolz an der Hand ihrer Väter vorbei, die wiederum als Drag Queens ausstaffiert sind. Um Mitternacht ist zwar der Umzug, aber längst nicht alles vorbei, denn die Fiesta geht in den Straßen weiter. Viele Zehntausend Tinerfen˜os und Besucher sind auf den Beinen und feiern, als gäbe es kein Morgen. Überall wird musiziert, getanzt und gesungen, alle Restaurants und Imbisse sind überfüllt. Es wurden zusätzliche Stände aufgebaut, Leckerbissen brutzeln auf den Grills, es werden Tapas ser-
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Der Karneval von Santa Cruz de Tenerife ist der berühmteste und größte Spaniens. Die Tanzgruppen in ihren wilden Verkleidungen sind ein Fest für die Augen, ihre Lebensfreude springt unmittelbar auf die Zuschauer über. Bereits seit Ende des 15. Jahrhunderts, dem Zeitalter der Konquistadoren und der Kolonisierung der Kanarischen Inseln vor der westafrikanischen Küste durch Spanien, wird hier der Karneval gefeiert. Kurz vor der Fastenzeit wird die letzte Möglichkeit gesucht, ausgelassen zu feiern. Masken dienten von jeher zur Verschleierung der eigenen Identität und auch der Narrenfreiheit, gegen die rigide Sexualmoral zu verstoßen. Viele Männer verkleiden sich als Frauen, die vielen Perücken und Tutus sind auf den Straßen unübersehbar. Auch wenn die katholische Geistlichkeit lang das Überbleibsel heidnischer Riten und ihre wilde Ausgelassenheit verurteilt hat, hat eine pragmatische Kirche den Karneval längst als letzten lasterhaften Ausbruch vor der Fastenperiode integriert.
Am Abend des Faschingsdienstags wird die große Parade „Apotheose des Karnevals“in Santa Cruz entlang der Avenida Maritima und über die Plaza de Espan˜a zelebriert. Die „Gala de Eleccion´ de la Reina del Carnaval“mit der frisch gewählten Karnevalskönigin und ihren unterlegenen Mitbewerberinnen zieht auf pompösen und glitzernden Wagen an der begeistert applaudierenden Menge vorbei. Bis zu 250.000 Menschen sind in der Nacht auf den Beinen. Die Kostüme der Königin und ihrer Prinzessinnen, die viel Platz für nackte Haut lassen, wiegen bis zu 100 Kilogramm. Keine leichte Aufgabe für die Schönheiten, die den ganzen Zug über lächeln, grüßen und den Zuschauern zuwinken. Dazwischen paradieren Marching Bands mit Salsa-, Merengue- und anderen Latino-Rhythmen oder spanischen Popsongs. Eine hundertköpfige Tanz und Musiktruppe, in Fantasiepostuniformen gekleidet, bringt die auf dem Gehweg gedrängten Zuschauer zum Toben. Jetzt drängt sich ein Discowagen durch die Gasse wogender Körper. Latino-Hits, Trillerpfeifen, wilder Tanz. Publikumsscheu ist hier keiner. Wird eine Kamera gezückt, drängen sich von allen Seiten Maskierte ins Bild. Der nächste Aufzug ist noch schriller. Eine Karnevalsgruppe von Männern und Frauen, alle mit Netzstrümpfen und giftgrünem Body, die Haare in Regenbogenfarben getönt. Ein gewaltiges Spektakel. Nachts um drei drehen einige erschöpft bei und sehnen sich nach Hause. Doch andere scheinen gerade erst von dort aufgebrochen zu sein und streben voller Tatendrang und guter Laune zum Plaza Espan˜a.
Am Aschermittwoch ist auch in Santa Cruz alles vorbei. Doch nicht einfach so, denn da wird unter makabrem Vorzeichen das Fest El Entierro de la Sardina, die Beerdigung der Sardine, als grotesker Totentanz begangen. Zu den Hintergründen dieses seltsamen Brauches gibt es viele unterschiedliche Deutungen. Ein überdimensionaler Fisch aus Pappmache,´ gefolgt von einem Zug als Drag Queens gekleideter Männer und von Klagefrauen, wird unter lautem Geheule und Stoßgebeten durch die Straßen getragen und schließlich öffentlich verbrannt. Der Karneval von Santa Cruz de Tenerife ist mit einem letzten, wie ein Strohfeuer wild aufflackernden Fest beendet.