Zu männliche Eigenschaften schaden einer Frauenkarriere
In Führungspositionen sind Frauen, die nur auf maskuline Eigenschaften setzen, weniger erfolgreich als jene, die auch feminine Seiten zeigen.
Der erste Eindruck entscheidet oft, wenn es um die Bewerbung für eine Stelle geht. Ein Team um die Psychologin Tuulia Ortner von der Universität Salzburg beschäftigt sich mit der Fairness von Aufnahmeverfahren und damit, wie das Verhalten von Frauen und Männern bewertet wird. Ausgehend davon, dass Frauen in Wirtschaft, Wissenschaft und Politik in Führungspositionen nach wie vor im Hintertreffen sind, haben sie untersucht, welche Merkmale dafür verantwortlich sind.
Als Basis dienten Ortner und ihrer Kollegin Freya Gruber Daten, die im Rahmen des Panda Women Leadership Contest in Deutschland gesammelt wurden. Die Teilnehmerinnen lösen bei dieser Veranstaltung unter anderem bei Simulationsworkshops in Teams von acht bis zwölf Personen Managementaufgaben. Am Ende jeder Übung nominierte jedes Gruppenmitglied diejenigen, die das größte Potenzial gezeigt haben. Für eine gute Performance gab es nicht nur Punkte, sondern auch verbale Beurteilungen: Die Teilnehmerinnen nannten jeweils drei Eigenschaften oder Verhaltensweisen, die sie an der jeweiligen Mitbewerberin besonders überzeugt hatten.
Die Salzburger Forscherinnen werteten diese Daten aus. Anhand von Bewerbungsunterlagen und durch eigene Beobachtung der Gruppe selbst konnten sie sich zusätzlich ein Bild von der Dynamik in den jeweiligen Workshops machen. „Jene Teilnehmerinnen erhielten die besten Bewertungen, die nicht nur in einem gewissen Ausmaß als maskulin wahrgenommen wurden, sondern die auch typisch feminine Eigenschaften an den Tag legten“, sagte Ortner: „Am besten schnitten jene ab, die ein optimales mittleres Maß an maskulinen wie auch femininen Zuschreibungen erhielten.“Der Schluss der Wissenschaftlerinnen: Um erfolgreich zu sein, brauchen Frauen ein größeres Spektrum an Fähigkeiten als Männer.
„Was bei Männern gut ist, reicht bei Frauen nicht“, fasst es Gruber zusammen. Anpackend, ergebnisorientiert, durchsetzungsstark, selbstbewusst oder argumentationsstark sind beispielsweise jene Attribute, die – basierend auf vorhergehenden wissenschaftlichen Arbeiten – als maskulin eingestuft werden. Eigenschaften wie empathisch, kommunikativ, freundlich oder offen gelten eher als feminin.
„Frauen müssen einen Spagat schaffen“, sagt Gruber. Als Führungspersönlichkeiten sollen sie durchsetzungsstark und zielorientiert sein. Gleichzeitig wird erwartet, dass sie auch empathisch und freundlich sind. Fehlt dieses weibliche Kompetenzspektrum, werden Frauen von Vorgesetzten, Kollegen oder Mitarbeitern schnell als unsympathisch und hart wahrgenommen. Gruber und Ortner sind sich sicher: Von Chefinnen werde eine höhere soziale Intelligenz erwartet als von Männern. „Die Forschungsergebnisse bestätigen eine zwar häufig empfundene, aber schwer zu benennende, geschweige denn zu belegende Herausforderung in Führungspositionen, die insbesondere Frauen betrifft – nämlich, dass oft mit zweierlei Maß gemessen wird“, fasst Isabelle Hoyer, Mitbegründerin von Panda, das Ergebnis zusammen.
Was heißt das nun für ein Bewerbungsverfahren? „Wenn man als unsympathisch oder hart wahrgenommen wird, kann das in einem Auswahlprozess den potenziellen Job kosten“, sagt Ortner. In Bewerbungsverfahren seien die Effekte besonders spürbar, weil gerade bei schlecht geplanten und wenig strukturierten Beurteilungen der erste Eindruck stark zähle. Deshalb sei es wichtig, dass sich Frauen das Spannungsfeld der Erwar- tungshaltungen bewusst machen und versuchen, eine individuelle Strategie zu finden, die für sie selbst stimmig ist. Je strukturierter und standardisierter ein Bewerbungsverfahren ablaufe, desto weniger zählten Eindrücke oder Meinungen, sondern fachliche Qualifikationen. Gibt es klare und transparente Kriterien für eine Position, steigen die Chancen für Frauen, sich mit fachlicher Kompetenz durchzusetzen.
In der Wissenschaft hat sich gezeigt, dass in Ländern, wo solche Verfahren üblicher sind, der Anteil weiblicher Führungskräfte höher ist, betont Ortner. Gute Führungskräfte müssen nach Ansicht der Wissenschaftlerin zunehmend sowieso beide Elemente mitbringen: Sie hätten sowohl maskuline als auch feminine Seiten in ihrem Führungsstil. „Auch wissen wir heute, dass eine gesunde Psyche beide Seiten integriert“, ist die Psychologin sicher: „Ein flexibles Verhaltensrepertoire ist wichtig – sowohl für Männer als auch für Frauen.“