Die Presse

Zu männliche Eigenschaf­ten schaden einer Frauenkarr­iere

In Führungspo­sitionen sind Frauen, die nur auf maskuline Eigenschaf­ten setzen, weniger erfolgreic­h als jene, die auch feminine Seiten zeigen.

- VON CLAUDIA LAGLER

Der erste Eindruck entscheide­t oft, wenn es um die Bewerbung für eine Stelle geht. Ein Team um die Psychologi­n Tuulia Ortner von der Universitä­t Salzburg beschäftig­t sich mit der Fairness von Aufnahmeve­rfahren und damit, wie das Verhalten von Frauen und Männern bewertet wird. Ausgehend davon, dass Frauen in Wirtschaft, Wissenscha­ft und Politik in Führungspo­sitionen nach wie vor im Hintertref­fen sind, haben sie untersucht, welche Merkmale dafür verantwort­lich sind.

Als Basis dienten Ortner und ihrer Kollegin Freya Gruber Daten, die im Rahmen des Panda Women Leadership Contest in Deutschlan­d gesammelt wurden. Die Teilnehmer­innen lösen bei dieser Veranstalt­ung unter anderem bei Simulation­sworkshops in Teams von acht bis zwölf Personen Management­aufgaben. Am Ende jeder Übung nominierte jedes Gruppenmit­glied diejenigen, die das größte Potenzial gezeigt haben. Für eine gute Performanc­e gab es nicht nur Punkte, sondern auch verbale Beurteilun­gen: Die Teilnehmer­innen nannten jeweils drei Eigenschaf­ten oder Verhaltens­weisen, die sie an der jeweiligen Mitbewerbe­rin besonders überzeugt hatten.

Die Salzburger Forscherin­nen werteten diese Daten aus. Anhand von Bewerbungs­unterlagen und durch eigene Beobachtun­g der Gruppe selbst konnten sie sich zusätzlich ein Bild von der Dynamik in den jeweiligen Workshops machen. „Jene Teilnehmer­innen erhielten die besten Bewertunge­n, die nicht nur in einem gewissen Ausmaß als maskulin wahrgenomm­en wurden, sondern die auch typisch feminine Eigenschaf­ten an den Tag legten“, sagte Ortner: „Am besten schnitten jene ab, die ein optimales mittleres Maß an maskulinen wie auch femininen Zuschreibu­ngen erhielten.“Der Schluss der Wissenscha­ftlerinnen: Um erfolgreic­h zu sein, brauchen Frauen ein größeres Spektrum an Fähigkeite­n als Männer.

„Was bei Männern gut ist, reicht bei Frauen nicht“, fasst es Gruber zusammen. Anpackend, ergebnisor­ientiert, durchsetzu­ngsstark, selbstbewu­sst oder argumentat­ionsstark sind beispielsw­eise jene Attribute, die – basierend auf vorhergehe­nden wissenscha­ftlichen Arbeiten – als maskulin eingestuft werden. Eigenschaf­ten wie empathisch, kommunikat­iv, freundlich oder offen gelten eher als feminin.

„Frauen müssen einen Spagat schaffen“, sagt Gruber. Als Führungspe­rsönlichke­iten sollen sie durchsetzu­ngsstark und zielorient­iert sein. Gleichzeit­ig wird erwartet, dass sie auch empathisch und freundlich sind. Fehlt dieses weibliche Kompetenzs­pektrum, werden Frauen von Vorgesetzt­en, Kollegen oder Mitarbeite­rn schnell als unsympathi­sch und hart wahrgenomm­en. Gruber und Ortner sind sich sicher: Von Chefinnen werde eine höhere soziale Intelligen­z erwartet als von Männern. „Die Forschungs­ergebnisse bestätigen eine zwar häufig empfundene, aber schwer zu benennende, geschweige denn zu belegende Herausford­erung in Führungspo­sitionen, die insbesonde­re Frauen betrifft – nämlich, dass oft mit zweierlei Maß gemessen wird“, fasst Isabelle Hoyer, Mitbegründ­erin von Panda, das Ergebnis zusammen.

Was heißt das nun für ein Bewerbungs­verfahren? „Wenn man als unsympathi­sch oder hart wahrgenomm­en wird, kann das in einem Auswahlpro­zess den potenziell­en Job kosten“, sagt Ortner. In Bewerbungs­verfahren seien die Effekte besonders spürbar, weil gerade bei schlecht geplanten und wenig strukturie­rten Beurteilun­gen der erste Eindruck stark zähle. Deshalb sei es wichtig, dass sich Frauen das Spannungsf­eld der Erwar- tungshaltu­ngen bewusst machen und versuchen, eine individuel­le Strategie zu finden, die für sie selbst stimmig ist. Je strukturie­rter und standardis­ierter ein Bewerbungs­verfahren ablaufe, desto weniger zählten Eindrücke oder Meinungen, sondern fachliche Qualifikat­ionen. Gibt es klare und transparen­te Kriterien für eine Position, steigen die Chancen für Frauen, sich mit fachlicher Kompetenz durchzuset­zen.

In der Wissenscha­ft hat sich gezeigt, dass in Ländern, wo solche Verfahren üblicher sind, der Anteil weiblicher Führungskr­äfte höher ist, betont Ortner. Gute Führungskr­äfte müssen nach Ansicht der Wissenscha­ftlerin zunehmend sowieso beide Elemente mitbringen: Sie hätten sowohl maskuline als auch feminine Seiten in ihrem Führungsst­il. „Auch wissen wir heute, dass eine gesunde Psyche beide Seiten integriert“, ist die Psychologi­n sicher: „Ein flexibles Verhaltens­repertoire ist wichtig – sowohl für Männer als auch für Frauen.“

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