Die Plastikfresser aus dem Labor
Forscher aus Niederösterreich entwickeln Substanzen, die Plastikabfälle zersetzen – ihr Vorbild ist dabei die Natur. Durch künstliche Evolution wollen sie den Müllbergen den Kampf ansagen.
„Wir nehmen die Evolution vorweg“, sagt Doris Ribitsch. Die gebürtige Steirerin ist Projektleiterin am Austrian Centre of Industrial Biotechnology (Acib) in Tulln und forscht mit der Arbeitsgruppe von Institutsleiter Georg Gübitz an künstlichen Enzymen, die eine besondere Eigenschaft besitzen: Sie „fressen“Plastik. Damit können sie etwas, was natürliche Enzyme aus Mikroben laut Ribitsch vielleicht in ferner Zukunft schaffen werden. Denn die Evolution braucht lang, bis sie möglicherweise etwas hervorbringt, das Kunststoff relativ rasch zersetzt. Wenn das mit den im Labor hergestellten Abbauhelfern heute schon gelänge, wäre das ein wichtiger Beitrag zur Vermeidung von Plastikmüll.
Fortschritte erzielten die Wissenschaftler vor allem beim Kunststoff Polyester, aus dem beispielsweise PET-Flaschen gefertigt sind und auch Textilfaser hergestellt werden. „Es gibt auch natürliche Polyester, etwa in Apfelschalen. Daher existieren auch natürliche Enzyme, die derartige Molekülstrukturen zersetzen. Diese Enzyme werden zwar prinzipiell auch mit künstlichem Polyester fertig, brauchen dafür aber viel zu lang.“Die Enzyme aus dem Labor können hier als „Turbo“eingesetzt werden, „wirtschaftlich ist aber auch das derzeit nicht, das Verbrennen daher immer noch die billigere Alternative, wenn sortenreines Recycling unmöglich ist“. Den Zer- setzungsvorgang durch weitere Optimierung der Enzyme im Labor zu beschleunigen ist daher das Ziel der Forscherin am Acib, das mit dem Comet-Programm des Innovations- und Technologieministeriums finanziert wird.
Gelungen ist bereits der Nachweis, dass der „Turbo“den Abbau von künstlichem Polyester auch unter anaeroben Bedingungen vorantreibt – das ist wichtig für den Einsatz in Biogasanlagen. Biomüll wird häufig in sogenannten Biosäcken aus kompostierbaren Polyester in solche Anlagen eingebracht, doch verzögert deren schwere Abbaubarkeit die biologische Zersetzung des Inhalts. Löst sich das Sackerl schneller auf, erleichtert dies die Bildung von Biogas als wertvollen Energieträger.
Darüber hinaus sind die im Labor hergestellten Enzyme hilfreich beim Herauslösen von Polyester aus Textilien, die auch aus Naturfasern bestehen. Das ist zum Beispiel Baumwollkleidung, die einen Kunststoffanteil enthält, um sie elastischer zu machen. „Die Baumwolle wird biologisch in Zucker verwandelt, der Kunststoff kann herausgetrennt und wiederverwendet werden“, erläutert Ribitsch.
Weiterhin als nicht natürlich abbaubar gelten hingegen Kunststoffe wie Polyethylen oder Polypropylen, die vor allem für Folien und Verpackungen, aber auch für zahlreiche Geräte im Haushalt verwendet werden. Fast jedes dritte Plastikteil weltweit besteht aus Polyethylen, damit ist es der am häufigsten verwendete Kunststoff. Es zerfällt zwar durch Witterungseinflüsse in kleine Teile, kann aber durch Organismen nicht zersetzt werden und lagert daher, sofern es nicht verbrannt oder recycelt wird, Jahrhunderte auf Deponien oder gelangt als Mikroplastik in die Nahrungsketten. Ribitsch macht sich auch aus einem anderen Grund für das Recycling stark: „Diese Kunststoffe basieren auf Erdöl, und wir wissen ja, dass die Erdölreserven zur Neige gehen.“