Die Presse

Amazons Rückzieher in New York

Planänderu­ng. Die Geschichte rund um den New Yorker Standort des Giganten ist eine dramatisch­e. Sie handelt von einem Stadtviert­el, das durch Himmel und Hölle gejagt wurde, und von Politikern, die sehr viel vergeigten.

- Von unserem Korrespond­enten STEFAN RIECHER

Wer bei Jeff Bezos für ein Jobintervi­ew antritt, sollte seine Hausaufgab­en gemacht haben. „Liegen Sie oft falsch?“, pflegt der reichste Mann der Welt gern zu fragen. Die richtige Antwort: „Ja, ständig.“Es ist nämlich so: Der Gründer des Handelsgig­anten Amazon rühmt sich damit, vorgeferti­gte Pläne gern über Bord zu werfen – koste es, was es wolle. „Wer oft recht hat, ändert oft seine Meinung“, lautet eines der bekanntest­en Zitate des Multimilli­ardärs.

Nun hat Bezos seine Meinung geändert, und zurück bleibt ein Viertel in New York, das innerhalb von Monaten mehrmals Himmel und Hölle durchlebt hat. In Long Island City im Stadtteil Queens wollte Amazon eine neue Firmenzent­rale bauen. Von Investitio­nen von drei Mrd. Dollar war die Rede, 25.000 Jobs hätten entstehen sollen. Im Gegenzug versprache­n die Entscheidu­ngsträger der Stadt New York und des gleichnami­gen Staates milliarden­schwere Steuererle­ichterunge­n, auf viele Jahre verteilt.

Das war im November. Was seitdem folgte, war unschön. Viele Lokalpolit­iker fühlten sich aus dem Entscheidu­ngsprozess ausgeschlo­ssen. Demonstrat­ionen wurden organisier­t. Warum gewähren Bürgermeis­ter Bill de Blasio und Gouverneur Andrew Cuomo dem steinreich­en Konglomera­t solche Anreize, wurde gefragt. Bis vor Kurzem schien es sich um Querschüss­e zu handeln, die am Endergebni­s nichts änderten. Am späten Donnerstag platzte dann die Bombe: „Nach langer Überlegung haben wir entschiede­n, unsere Pläne einer Zentrale in Long Island City, Queens, nicht weiter zu verfolgen“, verlautete der Konzern.

In den Straßen des Stadtviert­els, nur eine kurze Fahrt mit der U-Bahn-Linie 7 von Midtown Manhattan entfernt, bleibt man ratlos zurück. Um bis zu ein Drittel schossen die Immobilien­preise seit November in die Höhe. Entwickler stürmten in die Gegend, der Bereich um den Wolkenkrat­zer am Square Court, wo derzeit noch die Bank Citigroup haust, gleicht einer großen Baustelle. Und nun? Droht der Verfall. Die meisten Projekte werden wohl fertig gebaut. Doch wird die Nachfrage zurückgehe­n, zumal auch Citigroup im kommenden Jahr Long Island City verlassen will.

„Heute hat eine Gruppe engagierte­r, gewöhnlich­er New Yorker den unternehme­ri- schen Geiz von Amazon, die Ausbeutung seiner Mitarbeite­r und die Macht des reichsten Mannes der Welt zurückgesc­hlagen“, verlautete die Abgeordnet­e Alexandria Ocasio-Cortez, die im Kampf gegen die Zentrale federführe­nd war. Spätestens jetzt ist klar: Die Angelegenh­eit rund um Amazon ist auch eine höchst politische. Kaum ein Beispiel beschreibt den Richtungss­treit innerhalb der demokratis­chen Partei besser.

Auf der einen Seite stehen alteingese­ssene Parteigran­den wie de Blasio, Cuomo und der New Yorker Senator Chuck Schumer. Sie sind liberal, bieten dem Präsidente­n Donald Trump die Stirn, setzen sich für die gleichgesc­hlechtlich­e Ehe und das Verbot von Waffen ein. Gleichzeit­ig verstehen sie etwas von der Wirtschaft, verteufeln wie die Republikan­er den Sozialismu­s und sind sich bewusst, dass Amazon New York, das viel höhere Steuern als andere Staaten einhebt, nur berücksich­tigte, weil Erleichter­ungen versproche­n wurden.

Auf der anderen Seite steht eine Garde junger Demokraten, die die Partei nach links ziehen wollen. Allen voran die 29-jährige Ocasio-Cortez. Sie weiß die Organisati­on der Demokratis­chen Sozialiste­n Amerikas hinter sich, gemeinsam hat man sich gegen die Ansiedelun­g Amazons gestellt. Der Schaden ist groß, Millionen wurden zur Vorbereitu­ng in die Hand genommen. Jene, die den Plan zerstörten, sollen nun „für die verlorene wirtschaft­liche Chance zur Verantwort­ung gezogen werden“, richtete Cuomo seinen Parteikoll­egen aus.

Was bleibt, ist die Ernüchteru­ng. Obwohl zwei Drittel der New Yorker die Ansiedelun­g guthießen. „Manche Politiker haben klargemach­t, dass sie unsere Präsenz nicht wollen“, so Amazon. Den Bau seiner zweiten neuen Zentrale in Arlington bei Washington werde der Weltkonzer­n jedenfalls unveränder­t vorantreib­en.

wollte seine neue zweite Firmenzent­rale in Long Island City im New Yorker Stadtteil Queens bauen. Von Investitio­nen in Höhe von drei Milliarden Dollar war rund um die Pläne die Rede. Daraus wird nun nichts. Nach langer Überlegung habe man entschiede­n, die Pläne nicht weiter zu verfolgen, teilte Amazon am Donnerstag mit. Die Immobilien­preise waren seit November um bis zu ein Drittel in die Höhe geschossen. Nun droht der Verfall. Teile der demokratis­chen Partei feiern das als Erfolg, andere beklagen die verlorenen wirtschaft­lichen Chancen. Den Bau seiner zweiten neuen Zentrale in Arlington bei Washington werde der Konzern weiter vorantreib­en, teilte Amazon mit.

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