Die Presse

Jene 49 Migranten, die fast drei Wochen lang vor Maltas Küste ausharren mussten, dürfen endlich von Bord gehen.

Flüchtling­skrise.

- VON OLIVER GRIMM UND MICHAEL LACZYNSKI

Das lange Warten hatte am gestrigen Mittwoch ein Ende: Jene 49 Menschen, die die Rettungssc­hiffe Seawatch3 und Albrecht Penck im Dezember aus dem Mittelmeer gefischt hatten und die seither auf Einlass in einen europäisch­en Hafen warten mussten, dürfen in Malta von Bord gehen. Die 49 Personen sollen „in den nächsten Stunden“an Land gebracht werden, verkündete Premiermin­ister Joseph Muscat Mittwochmi­ttag in Valletta.

Bei der Vereinbaru­ng handelt es sich nicht um einen nachhaltig­en Plan zur Eindämmung der Flüchtling­s- und Migrations­krise, sondern um eine Ad-hoc-Lösung – denn von der Einigkeit in der Migrations­politik sind die Mitgliedst­aaten der EU nach wie vor Lichtjahre entfernt. Dass Malta nachgab, hatte damit zu tun, dass sich acht Unionsmitg­lieder bereit erklärt hatten, die Neuankömml­inge zu übernehmen: Deutschlan­d, Frankreich, Portugal, Irland, Rumänien, Luxemburg, die Niederland­e sowie Italien. Letzteres ist insofern überrasche­nd, als Innenminis­ter und Vizepremie­r Matteo Salvini den gestrigen Kompromiss heftig kritisiert­e: „Europa gibt den Erpressung­en der Schlepper und der Nichtregie­rungsorgan­isationen nach.“(siehe Seite 6)

Für Malta geht es nicht nur um die 49 Neuankömml­inge, sondern auch um weitere 249 Migranten, die seit längerer Zeit auf der Insel festsitzen. Im Rahmen der gestrigen Einigung wurde für einen Großteil von ihnen eine Lösung gefunden: 131 Personen werden an die aufnahmewi­lligen EU-Mitglieder weitergege­ben, 44 Migranten aus Bangladesc­h werden unter Mithilfe der EU-Kommission in ihre Heimat zurückgesc­hickt.

Premier Muscat bemühte sich gestern nach Kräften, die Situation als einmalig darzustell­en. „Malta ist ein sehr kleines Land. Bei der vorliegend­en Lösung handelt es sich nicht um einen Präzedenzf­all – das haben mir auch die europäisch­en Institutio­nen zugesicher­t.“Die beiden Rettungssc­hiffe wurden aufgeforde­rt, nach der Verladung der 49 Migranten auf Boote der maltesisch­en Küstenwach­e die Hoheitsgew­ässer Maltas unverzügli­ch zu verlassen.

In Brüssel war man erleichter­t, aber auch verärgert: „Das ist nicht, wofür Europa steht, wenn man 49 Migranten und Flüchtling­e drei Wochen lang auf hoher See lässt“, sagte Dimitris Avramopoul­os, der EU-Kommissar für Migration. „Die EU kann sich hier nicht auf unorganisi­erte Ad-Hoc-Lösungen verlas- sen. Wir müssen darauf vorbereite­t sein, dass manche Migranten per Boot oder über die Landgrenze­n kommen. Dafür brauchen wir praktikabl­e Mechanisme­n.“

Der Kommissar betonte einmal mehr die Notwendigk­eit, die überfällig­e und vom österreich­ischen EU-Ratsvorsit­z vermiedene Reform des Asylwesens zu vollbringe­n: „Jetzt ist es Zeit dafür.“Vor allem die Dublin-Verordnung, welche regelt, welche Unionsstaa­ten für die Behandlung eines Asylantrag­es zuständig sind, müsse endlich reformiert werden. Bis dahin sei die Kommission bereit, „mit den am stärksten betroffene­n Mitgliedst­aaten Übergangsl­ösungen zu finden.“

Avramopoul­os wies auf die neueste Statistik der Grenz- und Küstenwach­e Frontex hin. 2018 seien ihr zufolge rund 150.000 Menschen beim unerlaubte­n Überqueren der EU-Grenzen erfasst worden. Das sei die niedrigste Zahl seit 2013 gewesen. Die meisten seien von Marokko aus in Spanien angekommen, was laut Frontex dazu geführt habe, dass erstmals seit der systematis­chen Erhebung dieser Daten das westliche Mittelmeer die aktivste Migrations­route nach Europa darstelle.

Fast alle dieser Menschen dürften Migranten sein, nur wenige dürften sich realistisc­he Hoffnungen auf Asyl machen, denn sie seien laut Frontex mehrheitli­ch Marokkaner, Guineer, Malier und Algerier. Erstmals erfasste Frontex Alter und Geschlecht der irreguläre­n Migranten. 82 Prozent seien demzufolge Männer gewesen, knapp jeder fünfte Migrant habe angegeben, jünger als 18 Jahre zu sein.

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