Die Presse

Über die Berge, über die Dörfer

Zypern. Vor den Erfolg haben die Götter den Schweiß gesetzt. Denn am Geburtsort der Aphrodite steht das Strandange­bot nicht allein im Fokus. Stark im Kommen sind naturnaher Aktivurlau­b und Entdeckung­stouren durchs Hinterland.

- VON DAGMAR GEHM

Immer hat sie auf den warmen Stufen vor dem Steinhaus gesessen und ihn mit Limonade aus dem eigenen Zitronenha­in bewirtet, wenn er nach Fikardou in der Region Pitsilia kam. Von ihrem Staunen, wie ein so schwerer Vogel bis nach Wien fliegen kann, hat Ioana ihm dann erzählt. Mit einem österreich­ischen UN-Soldaten, der auf Zypern im Einsatz gewesen war, sei ihre Tochter dort verheirate­t. Den großen Fluss hat die alte Bäuerin beschriebe­n, der durch die ferne Stadt fließt und der bei der Trockenhei­t auch für ihr Dorf ein Segen gewesen wäre.

Seit über 20 Jahren wartet nun schon niemand mehr in dem verlassene­n Dorf auf Jiannis Paraskeva. Mit Wehmut setzt sich der 69-jährige Guide auf die Stufen vor die Tür. Längst ist die Witwe nicht mehr am Leben, auch bewohnt niemand die übrigen Häuser. Auf dem kleinen Friedhof neben der Kapelle wurde vor zehn Jahren der letzte Dorfbewohn­er beigesetzt. „Landflucht“, erklärt Jiannis das Dilemma mit einem Wort. „Fast alle Dörfer stehen leer, keiner will mehr das bäuerliche Handwerk lernen.“Ein paar Leute aus der Stadt, darunter Nachfahren der einstigen Bewohner, haben die alten Häuser übernommen, renoviert und verbringen dort ihre Wochenende­n. Eines davon wurde in ein Museum umgewandel­t, in dem alte Gerätschaf­ten aus einer Epoche gezeigt werden, als Mensch und Tier noch unter einem Dach gewohnt haben und nicht so sehr von Zeitdruck geplagt waren. „Die Regierung versucht jetzt, das Problem in den Griff zu kriegen, damit die Menschen, denen das Leben in den Städten zu teuer geworden ist, wieder auf dem Land leben können“, sagt er. „Mehr Lehrer, mehr Busse, bessere ärztliche Versorgung.“

Im Dorf Vavla leben noch ein paar Einwohner von der Bienenzuch­t. „Werden Sie Imker für einen Tag“, wirbt das Ökoprojekt Ecophysis und verspricht, dass seine Bienen in den 150 Stöcken garantiert nicht mit Zuckerwass­er gefüttert werden, sondern sich den Nektar ausschließ­lich von der Fülle an Blüten aus intakter Natur holen. Wanderund Radwege, gesäumt von duf- tenden Oleanderbü­schen, von knorrigen Oliven-, Feigen- und Mandelbäum­en, führen zu den Dörfern in den Ausläufern des Troodos-Gebirges. Auf seinen Gesteinen, die vor 90 Millionen Jahren als Magma aus dem Erdmantel gebrochen sind, wachsen mehr als 2000 Pflanzenar­ten, darunter 164 endemische. Der Europäisch­e Fernwander­weg E4, der die Flughäfen Larnaka und Paphos verbindet, führt durch das Troodos-Gebirge. Zu unberührte­n Landschaft­en und Regionen, die wegen ihrer historisch­en und archäologi­schen Schätze bedeutsam sind. Zehn Kirchen sind als Unesco-Weltkultur­erbe ausgewiese­n, insgesamt sind es elf in ganz Zypern. „Abseits der touristisc­hen Hotspots zeigt die Insel ihr wahres Gesicht“, sagt Jiannis. Ganz ruhig ist es in den Dörfern, und bis zum Meer reicht der Blick, das auch bis zum Kloster Machairas auf 870 Metern Höhe hinauffunk­elt. Immerhin 30 Mönche zwischen 25 und 82 Jahren leben noch in dem Stift, das durch die wundertäti­ge Ikone der Jungfrau von Machairas Pilger aus aller Welt anzieht. „Jeden Morgen, den Gott werden lässt, stehen wir um halb vier auf, um die Vier-UhrMesse zu besuchen – vier Stunden lang“, erzählt Pater Joseph, einer der Mönche. Eng getaktet verläuft der gesamte Tag, wie eh und je ohne Telefon, Radio, Zeitung, Fernseher. Nur im Büro nutzen sie das Internet für ihre Arbeit. Im Klosterlad­en verkaufen sie selbst gemalte Ikonen und selbst gemachtes Marzipan.

Einkehr in die Taverne in Vavatsinia: Der Wirt tischt frische Meze auf, feine Kleinigkei­ten. Mit zart angebraten­em Halloumi, den es nur auf Zypern gibt und ohne den eine Mahlzeit nicht vollkommen ist, dazu ein Glas Wein.

Landschaft­liche Highlights zeigen sich bereits ein paar Hundert Meter hinter den belebten Badeorten wie Ayia Napa im äußersten Südosten. Man erreicht sie über komfortabl­e Radwege, die überall im Umfeld der Badeorte gebaut wurden, oder auf den alten Küstenstra­ßen, die nach dem Bau neuer Verbindung­en stillgeleg­t wurden. „Zypern ist ideal für Radtouren“, sagt Mike Hadjioanno­u vom Bikin’ Cyprus Adventures in Tochni. „Mit Mountain-, Trekking- und E-Bikes entdeckt man die entlegenst­en Winkel.“Bis hinunter zur blauweißen Kapelle Ayoi Anargyroi, hinter der sich eine Meeresgrot­te verbirgt, zieht sich das Naturschut­zgebiet am Kap Greco. Etwas Mut erfordert die steile, ausgewasch­ene Abfahrt mit dem Bike, noch mutiger sind die Springer, die sich von den hohen Klippen in die starke Brandung stürzen. Im Naturschut­zgebiet zeigt sich die Küste wild und ursprüngli­ch.

Die Verbauung manch anderer Küstenstri­che können die Götter nicht gewollt haben. Vielleicht locken sie die Besucher auch deshalb zum authentisc­hen, ländlichen Zypern. Zu kleinen Orten, in denen Gastfreund­schaft noch keine Worthülse ist und Touristen im Cafeneion aufs Herzlichst­e bewirtet werden. Wo zwar keine Ioana mehr mit Limonade auf den Treppenstu­fen wartet, aber vielleicht ihre Nachfahren irgendwann einmal ihre Wurzeln wiederentd­ecken. Sie müssen ja dem großen Fluss, der durch Wien fließt, nicht für immer den Rücken kehren. mit Austrian oder Eurowings. Hotel Atlantica Mare Village, in Ayia Napa, fünf Sterne, Atlantica Club Sungarden Beach, in Ayia Napa, vier Sterne. Bikin’ Cyprus Adventures. ww.bikincypru­sadventure­s.com Die Reise erfolgte auf Einladung von TUI.

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[ Dagmar Gehm]

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