Kärnten wird zur China-Drehscheibe
Welthandel. Kärnten will an Chinas Seidenstraßeninvestitionen mitnaschen. In Kooperation mit Triest soll der griechische Hafen Piräus als Hauptanlaufpunkt für Schiffe aus China abgelöst werden.
Es ist zuletzt fast obligatorisch geworden: Sobald es um Infrastrukturprojekte in Europa geht, fallen die Schlagworte China und die Seidenstraßeninitiative, Pekings wirtschafts- und außenpolitisches Prestigeprojekt. Nun versucht auch Österreichs südlichstes Bundesland, ein Stück vom Kuchen zu bekommen: Die Kärntner Regierung will in der Gemeinde Fürnitz, wenige Kilometer südwestlich von Villach, ein Logistikzentrum schaffen, das Kärnten nicht nur im Alpe-Adria-Raum, sondern auch im Handel mit Asien als Drehscheibe etablieren soll.
Die Ziele sind hoch gesteckt: Fürnitz soll das nächste Duisburg werden. Gebeutelt von dem Niedergang der Stahlindustrie versucht die Stadt an der Ruhr ihrer wirtschaftlichen Misere zu entkommen, indem sie sich als europäischer Endpunkt für die chinesische „Belt and Road“-Initiative vermarktet. Europas größter Binnenhafen ist heute der wichtigste europäische Anlaufpunkt für Züge, die nach einer knapp zweiwöchigen Reise von Ostchina über Zentralasien vollbepackt mit Elektro- und Textilwaren ankommen.
Chinesen in den Startlöchern
Der Trockenhafen in Fürnitz soll nun den durch die Hypo-Pleite angeschlagenen Standort Kärnten stärken. Und hier kommt nicht nur China, sondern auch Italien ins Spiel. Zwischen dem Adria-Hafen Triest und Fürnitz soll ein Zollkorridor entstehen, bestätigt der Kärntner Landesrat für Logistik, Ulrich Zafoschnig, der „Presse“. Waren, die in Triest ankommen, werden direkt in die Züge verladen. Sowohl die Zollanmeldung als auch die Zollabfertigung soll während des Transports nach Österreich erfolgen. Wenn nötig, rund um die Uhr.
Mit der vollständigen Zollabwicklung im Zug sparten die Logistiker wertvolle Zeit, bewirbt Zafoschnig das Projekt. Bis zu 15 Prozent der Transportkosten könnten reduziert werden, wenn die Verteilung in den Rest Europas erst in Kärnten erfolge. Denn von Fürnitz aus könnten wesentlich längere Züge abfahren. Zugleich werde der Hafen Triest entlastet: Je schneller die Züge beladen werden, desto eher werden Kapazitäten für neue Container im Hafen frei. Starten solle das Projekt voraussichtlich Anfang 2019, wenn die italienische Seite alle rechtlichen Voraussetzungen erfüllt habe, sagt der ÖVPLandesrat.
In Österreich solle die ÖBBTochter Rail Cargo Austria das Logistikzentrum betreiben, heißt es aus Klagenfurt. Die ÖBB will das gegenüber der „Presse“nicht bestätigen. Die Chinesen sitzen jedenfalls bereits in den Startlöchern: unter anderem die Bank of China und die staatliche Reederei Cosco, seit 2016 Mehrheitseigentümer des griechischen Hafens Piräus. Auch andere Firmen aus China haben Interesse, wollen aber noch anonym bleiben. „Die Verbindungen zu chinesischen Unternehmen sind für den Wirtschaftsstandort Kärnten sehr wichtig und werden besonders in der Logistik durch die neue Seidenstraße eine entscheidende Rolle spielen“, so Zafoschnig.
Tor nach Zentraleuropa
Damit führt Kärnten auf Landesebene fort, was die Regierung mit dem „Staatsbesuch der Superlative“im April offiziell vorgegeben hat: Verkehrsminister Norbert Hofer erklärte Österreich in Peking im Hinblick auf das gigantische chinesische Infrastrukturprojekt zum „First Mover“in Europa. Doch auch Rom rittert um chinesische Gelder: Die rechtspopulistische Regierung aus Lega Nord und Fünf-Sterne-Bewegung streitet mit Brüssel um seinen Haushaltsplan für 2019. Rom will seinen Schuldenberg von 131,2 Prozent des BIP weiter erhöhen, um teure Wahlver- sprechen einlösen zu können. Frisches Kapital käme der Regierung da nur recht.
So will sich Italien als führender Partner Chinas in Europa positionieren. Vizepremier Luigi Di Maio kündigte an, eine umfassende Seidenstraßen-Absichtserklärung unterzeichnen zu wollen – als erstes Mitglied der führenden Industrienationen der G7. Der Schritt würde wohl in Brüssel für böses Blut sorgen: Die EU wirft China vor, mit Infrastrukturinvestitionen seinen politischen Einfluss in Europa ausbauen zu wollen.
Für Italiens China-Offensive käme Triest eine entscheidende Rolle zu. Der Adria-Hafen soll Piräus langfristig als europäischen Endpunkt der sogenannten maritimen Seidenstraße ablösen. Zwar wickelt Piräus derzeit rund fünfmal so viele Container ab wie Triest. Doch die Geografie spricht für Italien, das ein direktes Tor nach Zentraleuropa bietet.