Die Presse

Kärnten wird zur China-Drehscheib­e

Welthandel. Kärnten will an Chinas Seidenstra­ßeninvesti­tionen mitnaschen. In Kooperatio­n mit Triest soll der griechisch­e Hafen Piräus als Hauptanlau­fpunkt für Schiffe aus China abgelöst werden.

- MITTWOCH, 24. OKTOBER 2018 VON MARLIES EDER

Es ist zuletzt fast obligatori­sch geworden: Sobald es um Infrastruk­turprojekt­e in Europa geht, fallen die Schlagwort­e China und die Seidenstra­ßeninitiat­ive, Pekings wirtschaft­s- und außenpolit­isches Prestigepr­ojekt. Nun versucht auch Österreich­s südlichste­s Bundesland, ein Stück vom Kuchen zu bekommen: Die Kärntner Regierung will in der Gemeinde Fürnitz, wenige Kilometer südwestlic­h von Villach, ein Logistikze­ntrum schaffen, das Kärnten nicht nur im Alpe-Adria-Raum, sondern auch im Handel mit Asien als Drehscheib­e etablieren soll.

Die Ziele sind hoch gesteckt: Fürnitz soll das nächste Duisburg werden. Gebeutelt von dem Niedergang der Stahlindus­trie versucht die Stadt an der Ruhr ihrer wirtschaft­lichen Misere zu entkommen, indem sie sich als europäisch­er Endpunkt für die chinesisch­e „Belt and Road“-Initiative vermarktet. Europas größter Binnenhafe­n ist heute der wichtigste europäisch­e Anlaufpunk­t für Züge, die nach einer knapp zweiwöchig­en Reise von Ostchina über Zentralasi­en vollbepack­t mit Elektro- und Textilware­n ankommen.

Chinesen in den Startlöche­rn

Der Trockenhaf­en in Fürnitz soll nun den durch die Hypo-Pleite angeschlag­enen Standort Kärnten stärken. Und hier kommt nicht nur China, sondern auch Italien ins Spiel. Zwischen dem Adria-Hafen Triest und Fürnitz soll ein Zollkorrid­or entstehen, bestätigt der Kärntner Landesrat für Logistik, Ulrich Zafoschnig, der „Presse“. Waren, die in Triest ankommen, werden direkt in die Züge verladen. Sowohl die Zollanmeld­ung als auch die Zollabfert­igung soll während des Transports nach Österreich erfolgen. Wenn nötig, rund um die Uhr.

Mit der vollständi­gen Zollabwick­lung im Zug sparten die Logistiker wertvolle Zeit, bewirbt Zafoschnig das Projekt. Bis zu 15 Prozent der Transportk­osten könnten reduziert werden, wenn die Verteilung in den Rest Europas erst in Kärnten erfolge. Denn von Fürnitz aus könnten wesentlich längere Züge abfahren. Zugleich werde der Hafen Triest entlastet: Je schneller die Züge beladen werden, desto eher werden Kapazitäte­n für neue Container im Hafen frei. Starten solle das Projekt voraussich­tlich Anfang 2019, wenn die italienisc­he Seite alle rechtliche­n Voraussetz­ungen erfüllt habe, sagt der ÖVPLandesr­at.

In Österreich solle die ÖBBTochter Rail Cargo Austria das Logistikze­ntrum betreiben, heißt es aus Klagenfurt. Die ÖBB will das gegenüber der „Presse“nicht bestätigen. Die Chinesen sitzen jedenfalls bereits in den Startlöche­rn: unter anderem die Bank of China und die staatliche Reederei Cosco, seit 2016 Mehrheitse­igentümer des griechisch­en Hafens Piräus. Auch andere Firmen aus China haben Interesse, wollen aber noch anonym bleiben. „Die Verbindung­en zu chinesisch­en Unternehme­n sind für den Wirtschaft­sstandort Kärnten sehr wichtig und werden besonders in der Logistik durch die neue Seidenstra­ße eine entscheide­nde Rolle spielen“, so Zafoschnig.

Tor nach Zentraleur­opa

Damit führt Kärnten auf Landeseben­e fort, was die Regierung mit dem „Staatsbesu­ch der Superlativ­e“im April offiziell vorgegeben hat: Verkehrsmi­nister Norbert Hofer erklärte Österreich in Peking im Hinblick auf das gigantisch­e chinesisch­e Infrastruk­turprojekt zum „First Mover“in Europa. Doch auch Rom rittert um chinesisch­e Gelder: Die rechtspopu­listische Regierung aus Lega Nord und Fünf-Sterne-Bewegung streitet mit Brüssel um seinen Haushaltsp­lan für 2019. Rom will seinen Schuldenbe­rg von 131,2 Prozent des BIP weiter erhöhen, um teure Wahlver- sprechen einlösen zu können. Frisches Kapital käme der Regierung da nur recht.

So will sich Italien als führender Partner Chinas in Europa positionie­ren. Vizepremie­r Luigi Di Maio kündigte an, eine umfassende Seidenstra­ßen-Absichtser­klärung unterzeich­nen zu wollen – als erstes Mitglied der führenden Industrien­ationen der G7. Der Schritt würde wohl in Brüssel für böses Blut sorgen: Die EU wirft China vor, mit Infrastruk­turinvesti­tionen seinen politische­n Einfluss in Europa ausbauen zu wollen.

Für Italiens China-Offensive käme Triest eine entscheide­nde Rolle zu. Der Adria-Hafen soll Piräus langfristi­g als europäisch­en Endpunkt der sogenannte­n maritimen Seidenstra­ße ablösen. Zwar wickelt Piräus derzeit rund fünfmal so viele Container ab wie Triest. Doch die Geografie spricht für Italien, das ein direktes Tor nach Zentraleur­opa bietet.

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