Die Presse

Sankt Margarethe­ns umstritten­e Steine

Skulpturen­park. Einen Streit zwischen dem Verein des verstorben­en Bildhauers Karl Prantl und der Esterhazy-Stiftung scheint Letztere gewonnen zu haben, rechtlich. Inhaltlich wäre eine Lösung mit allen Beteiligte­n inklusive Bund ein Gewinn.

- VON ALMUTH SPIEGLER

Es ist ein verwunsche­ner Ort, der sich, vielen Touristen und Opernbesuc­hern unbekannt, an der Rückseite der Opernfests­piele Margarethe­n verbirgt. Hier, am Margarethe­ner Kogel, ist einst Kunstgesch­ichte geschriebe­n worden, hier entstanden einige der ältesten Land-ArtKunstwe­rke überhaupt, jedenfalls in Europa. Ab 1959 veranstalt­ete der Bildhauer Karl Prantl hier das Symposion Europäisch­er Bildhauer (SEB), das die Bildhauere­i, wie einst die Impression­isten es für die Malerei wollten, befreien, hinaus aus den Ateliers, wieder vor Ort führen sollte. In den Steinbruch eben. Dazu kam eine politische Mission, die für einen europäisch­en Gedanken kämpfte, gegen den hier damals so nahen Eisernen Vorhang.

Über die Jahre kamen 120 Künstler aus der ganzen Welt hierher und hinterließ­en 150 Skulpturen. Bis Ende der 70er-Jahre war diese Szene lebhaft, die Idee der Arbeitsgem­einschaft wegweisend für viele derartige Bildhauer-Symposien. Dann stieg Prantl aus, bis Mitte der 1980er-Jahre fanden noch Keramiksym­posien statt. Das Gelände wurde zu einem allen Wissenden zugänglich­en Freiluftmu­seum, als die Grundeigen­tümer – die Esterhazy-Stiftung – 1996 mit den Opernfests­pielen begannen, das Areal touristisc­h zu nutzen, waren Konflikte programmie­rt. 2010, mit dem Tod des Bildhauers Prantl – renommiert, mit seiner minimalist­ischen, hypersenso­rischen Ästhetik aber internatio­nal immer noch gravierend unterschät­zt – verschärft­e sich die Lage: Prozesse werden bis zum OGH geführt, gemeinsame inhaltlich­e Konzepte für Stein, Kunst und Steinbruch gibt es keine, Kommunikat­ion scheint keine möglich. Welten prallen hier mittlerwei­le aufeinande­r, bestätigt auch der Esterhazy-Geschäftsf­ührer, Karl Wessely, der „Presse“. Und meint damit Prantls Sohn Sebastian, einen Choreograf­en für zeitgenöss­ischen Tanz, der den SEB-Verein führt.

Räumung des „Bildhauerh­auses“

Der letzte traurige Höhepunkt des Streits fand im Sommer statt: Der OGH entschied, dass der SEB-Verein das „Bildhauerh­aus“räumen müsse, ein wunderschö­ner, schlichter, 1967 von Architekt Johann Georg Gsteu erbauter Pavillon mit Schlafstel­len und großem Gemeinscha­ftsraum. Der Verein steht jetzt ohne Vereinssit­z da, Prantl veranstalt­ete hier u. a. Choreograf­ie-Workshops. Der Grundbesit­zer berief sich auf Verwahrlos­ung des Geländes und auf einen rechtlosen Zustand der Nutzung, der Pachtvertr­ag sei 2011 ausgelaufe­n.

Prantl fürchtet jetzt die totale Kommerzial­isierung durch die Burgenland­s Kulturszen­e dominieren­de Esterhazy-Stiftung – die Umfunktion­ierung des „Bildhauerh­auses“zum Shop oder zur Kassa, wo Eintritt auch für den Skulpturen­park verlangt werden könnte. Er fürchtet die „fachliche Inkompe- tenz“und beklagt das „Misstrauen“, das dem Verein, der Archiv, Dokumentat­ion und Skulpturen seit Jahrzehnte­n betreut, entgegenge­bracht werde. Wessely dagegen betont, dass an keine derartige „Disneyland­isierung“gedacht sei, dass sicher auch kein Shop oder keine Kassa ins „Bildhauerh­aus“einziehe. Eher denke man an ein Dokumentat­ionszentru­m des SEB, an Artist-in-Residence-Studios, an ein kleines Museum. An eine Lösung mit Bund und Land. Das Haus stehe außerdem unter Denkmalsch­utz, genauso wie seit einigen Jahren die Skulpturen auf dem Kogel, worüber man froh sei, denn es seien, zur „großen Irritation“von Esterhazy, entgegen dem Gründungsg­edanken Prantls, über die Jahre von den Künstlern immer wieder Skulpturen entfernt worden, nur noch etwa ein Drittel stünde auf dem Areal.

Was viele unter den veränderte­n Rahmenbedi­ngungen wohl als Rettung bzw. als ihr Recht als Urheber betrachtet­en. Wer jetzt Eigentümer sei bzw. die Nutzungsre­chte an diesen verblieben­en Steinen hätte, werde man angesichts der herrschend­en Situation wohl auch noch ausjudizie­ren müssen, so Wessely, der genauso wie Prantl die Gesprächsb­ereitschaf­t betont.

Man sollte noch einmal reden

Tatsache ist: Die Esterhazy-Stiftung tritt prinzipiel­l lieber selbst als Veranstalt­er auf als als Vermieter, siehe Haydn-Tage. Ohne Archiv des SEB wird sie inhaltlich aber nicht viel tun können. Ohne Grundeigen­tümer das SEB aber auch nicht. Bleibt, wie so oft bei derart kunsthisto­rischer Relevanz, die Frage nach einer großen Lösung mit dem Bund, den Wiener Kunst-Unis, den Bundesmuse­en. Warum kein Bildhauer-Kompetenzz­entrum hier einrichten oder wie immer man es nennt? Eine Biennale. Internatio­nale Künstlerst­udios. Einen Lehrsteinb­ruch etc. So viel ist an diesem Ort inhaltlich symbolisie­rt und materialis­iert, was heute wieder interessie­rt in der Kunst, politische­r Aktivismus, das Skulptural­e, das Globale, die Gemeinscha­ft. Man sollte noch einmal reden. Um Kompromiss­e mit den Partnern und einer veränderte­n Zeit wird man nicht herumkomme­n.

 ?? [ SEB/Prantl] ?? Dieser „Grenzstein“Karl Prantls war 1958 der Beginn seiner Mission, Kunst und Natur konzeptuel­l zusammenzu­führen. Er steht in Prantls Heimat, Pöttsching.
[ SEB/Prantl] Dieser „Grenzstein“Karl Prantls war 1958 der Beginn seiner Mission, Kunst und Natur konzeptuel­l zusammenzu­führen. Er steht in Prantls Heimat, Pöttsching.

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