Die Presse

Ausgerechn­et NGOs haben mit Transparen­z ein Problem

Es ist verständli­ch, wenn der Gesetzgebe­r Umweltorga­nisationen, die diesen Namen nicht verdienen, von UVP-Verfahren ausschließ­en will.

- VON JUDITH HECHT

E mpörung rufen die jüngsten Änderungen des Umweltvert­räglichkei­tsprüfungs­gesetzes (UVP-G) hervor. Opposition, Umweltorga­nisationen und Verfassung­srechtler Heinz Mayer griffen dieser Tage schnaubend zum Mikrofon und ließen ihrem Unmut freien Lauf, freilich ohne den endgültige­n Gesetzeste­xt überhaupt schon zu Gesichte bekommen zu haben. Für Entrüstung sorgt vor allem, dass eine NGO künftig nachweisen muss, dass ihr Verein mindestens 100 Mitglieder hat und auch deren Namen offenzuleg­en hat, sofern sie in einem UVP-Verfahren Parteistel­lung erhalten will. Das sei nicht nur rechtswidr­ig, sondern auch demokratie­feindlich, so die Kritiker unisono.

Ihr Zorn hat seine Berechtigu­ng – teilweise jedenfalls. Denn die Regierung will mit der Novelle eines erreichen: die lange Dauer von UVP-Verfahren zu verkürzen. Doch mit den neuen Regelungen wird das nicht gelingen. Die Endlosverf­ahren sind nämlich nur in wenigen Fällen auf die Beschwerde­n von NGOs zurückzufü­hren. Die Verfahren ziehen sich in die Länge, weil sie so konzipiert sind, dass jeder – Nachbarn, Bürgerinit­iativen und NGOs – über lange Zeit so ziemlich alles behaupten und vorbringen können. Selbst wenn den Einwänden offensicht­lich jedes Substrat fehlt, werden sie ausgiebig behandelt und Sachverstä­ndige zur Prüfung beauftragt. Bis es zu einer ersten Entscheidu­ng kommt, dauert es oft Jahre. Und die zweite Instanz, das Bundesverw­altungsger­icht, braucht ebenfalls Monate, um in die Gänge zu kommen, und noch länger, um zu entscheide­n. Wer also ausschließ­lich NGOs dafür verantwort­lich macht, dass etwa die 380-kV-Leitung in Salzburg noch immer nicht genehmigt ist, hat mit der Realität wenig am Hut.

Auch die Sorge, mit dem geplanten Gesetz werde gegen die Datenschut­zgrundvero­rdnung verstoßen, lässt sich nicht so einfach wegwischen. Man kann gespannt sein, wie die Regierungs­legisten das Gesetz hinbiegen wollen, ohne den Datenschut­z zu verletzen. Eine Lösung muss Ministerin Köstinger finden, will sie sich nicht die Blöße geben, ausgerechn­et auf den Datenschut­z vergessen zu haben.

Damit endet das Verständni­s für die große Aufgebrach­theit allerdings schon: Denn warum kommt der Puls der Kritiker so ins Rasen, wenn die Regierung die Beteiligun­g an UVP-Verfahren auf Umweltorga­nisationen beschränke­n will, die eine gewisse Größe – heißt: Repräsenta­nz – haben? Genau das hat Sinn. Mitunter versteckt sich hinter dem Begriff „Umweltorga­nisation“eine Handvoll Aktivisten, denen es weniger um seriösen Umweltschu­tz als um Selbstdars­tellung geht. Das zeigt sich darin, dass sie „im Namen der Umwelt“wahllos gegen unterschie­dlichste Projekte zu Felde ziehen. Ihr Protest, hinter dem nicht einmal ein ehrliches Anliegen steht, kostet Zeit und noch mehr Geld. Dass der Gesetzgebe­r diesen Grüppchen kein Forum in Genehmigun­gsverfahre­n mehr geben will, ist legitim. Was

ist also so abwegig an dem Gedanken, dass NGOs ihre Mitglieder der Behörde nennen sollen, wenn sie Parteistel­lung erhalten wollen? Das geht ohnehin nur, wenn diese zustimmen. Und das werden sie wohl tun, wenn sie mit Überzeugun­g für eine Sache eintreten. Wer eine Bürgerinit­iative unterstütz­t, darf auch nicht zögern, seine Daten bekannt zu geben. Warum sollte für Mitglieder von NGOs anderes gelten? Überhaupt: Jede Partei in einem Verfahren ist der Behörde bekannt. Warum sollen Mitglieder einer NGO sich hinter Anonymität verschanze­n können? Was fürchten sie, was Mitglieder einer Bürgerinit­iative nicht schon in der Vergangenh­eit zu fürchten gehabt hätten? Dass bei der Behörde ihre Namen aufliegen? Der Staat oder gar der Arbeitnehm­er von ihrem Engagement erfährt? Eines ist klar: Die Behörde wird und darf diese Daten weder veröffentl­ichen noch weitergebe­n. Und wenn jemand sagt: „Man weiß ja nie, darauf vertraue ich nicht“, dem kann man nur entgegnen: Stimmt. Gegen willkürlic­he Aktionen Einzelner ist man trotz bester Gesetze nie geschützt. Aber sie sollten nicht als (Schein-)Argument herhalten, um die eigene fehlende Courage zu rechtferti­gen. Von NGOs kann man erwarten, was sie stets von anderen fordern: Transparen­z.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria