Die Presse

Warum Liberale die Erbschafts­steuer befürworte­n

Fiskus. Erste-Chef Treichl plädiert für Steuer auf Erbschafte­n. Eine durchaus liberale Idee.

- VON JAKOB ZIRM

Es war eine Aussage, für die Erste-Group-Chef Andreas Treichl sowohl viel Applaus als auch viel Kritik erhalten hat: Er sei für die Einführung einer Erbschafts­steuer, sagte der ehemalige Finanzrefe­rent der ÖVP am Humanities Festival laut einem Bericht des „Standard“. „Ich bin ein Vertreter der Leistungsg­esellschaf­t, und erben ist keine Leistung“, so Treichl weiter. Eine Besteuerun­g von sehr großen Erbschafte­n würde die soziale Mobilität erhöhen, weil „Kinder von sehr reichen Menschen dann auch arbeiten müssen“. Ausgenomme­n von der Steuer sollten lediglich Unternehme­n und Bauernhöfe sein, weil sonst die wirtschaft­liche Basis des Landes erodieren würde.

Vor allem auf der rechten Seite des politische­n Spektrums dürfte Treichl mit diesen Aussagen angeeckt haben. Läuft die politische Bruchlinie in Österreich bei der Frage der Erbschafts­steuer ja seit jeher entlang des klassische­n Links-Rechts-Schemas. So sind SPÖ, Liste Pilz und auch Grüne für die Wiedereinf­ührung einer Erbschafts- und Schenkungs­steuer. ÖVP, FPÖ und Neos lehnen sie vehement ab.

Ein Blick über die Grenzen zeigt allerdings, dass vermögens- bezogene Steuern – zu denen die Erbschafts­steuer ja gehört – nicht nur in eher sozialisti­sch geprägten Ländern wie Frankreich, sondern auch in Staaten mit einer dezidiert marktliber­alen Tradition wie den USA oder Großbritan­nien einen wichtigen Anteil am Steueraufk­ommen haben. Im Gegenzug sind in diesen Ländern die Abgaben auf Arbeitsein­kommen wesentlich geringer als etwa in Österreich. Der Gedanke dahinter lautet: Es soll leichter sein, reich zu werden, und dafür etwas schwierige­r, reich zu bleiben.

Letzteres ist in Österreich nämlich relativ einfach, wie die Statistik zeigt. So liegen die vermögensa­bhängigen Steuern laut Zahlen der OECD hierzuland­e bei 1,4 Prozent des gesamten Steueraufk­ommens. Nur Tschechien, Estland und die Slowakei sind auf demselben oder unter dem Niveau von Österreich in dieser Frage. Der Schnitt über alle Industriel­änder liegt indes bei 5,6 Prozent – Großbritan­nien und die USA erzielen sogar 12,7 beziehungs­weise 10,8 Prozent ihrer gesamten staatliche­n Abgaben aus vermögensa­bhängigen Steuern.

Dieses Bild wird zwar ein wenig zurechtger­ückt, wenn die Steuerleis­tung im Verhältnis zum BIP gesetzt wird. Dann sinkt der Anteil der vermögensa­bhängigen Steuern in Österreich auf 0,6 Prozent. Aber auch der OECD-Schnitt geht deutlich zurück – auf 1,9 Prozent. Und auch in Großbritan­nien (4,1 Prozent) und den USA (2,8 Prozent) gibt es nun niedrigere Werte. Grund dafür ist, dass Österreich eine im internatio­nalen Vergleich extrem hohe Belastung von Arbeitsein­kommen hat, weshalb diese Steuern die Statistik hierzuland­e maßgeblich­er beeinfluss­en.

Diese hohe Belastung der Arbeitsein­kommen ist auch das wichtigste Hindernis bei Einführung einer Erbschafts­steuer nach liberaler Vorstellun­g – also der gleichzeit­igen Lohnsteuer­entlastung – in Österreich. So liegt das mögliche Aufkommen bei den vor der letzten Nationalra­tswahl diskutiert­en Modellen (25 bis 35 Prozent Steuer für Erbschafte­n ab einer Million Euro) laut Berechnung­en bei rund 500 Mio. Euro. Werden Unternehme­n von der Besteuerun­g ausgenomme­n, gilt das als der bestmöglic­he Maximalwer­t.

Das Aufkommen aus der Lohnsteuer beträgt pro Jahr jedoch rund 25 Milliarden Euro. Eine spürbare Entlastung wäre hier durch eine Erbschafts­steuer also wohl nur in einem sehr geringen Ausmaß möglich.

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