Die Presse

Berlin wirbt um Zuwanderer

Deutschlan­d. Die Union gibt ihren jahrzehnte­langen Widerstand auf: Die Bundesrepu­blik bekommt erstmals ein Einwanderu­ngsgesetz.

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Als der damalige CDU-Generalsek­retär Peter Tauber im Jänner 2015 ein Einwanderu­ngsgesetz vorschlug, gab es Lob von SPD und Grünen und eine heftige Abfuhr aus den eigenen Reihen. Am Dienstag twitterte Tauber „hurra“. Denn Deutschlan­d bekommt nun doch ein Fachkräfte-Einwanderu­ngsgesetz. Erstmals in seiner Geschichte. Von einem „bedeutende­n Moment“schrieb die SPD. Wobei: Vorerst gibt es nur ein Eckpunktep­apier. Den finalen Gesetzesen­twurf will CSU-Innenminis­ter Horst Seehofer (lange Gegner eines Einwanderu­ngsgesetze­s) noch heuer auf den Weg bringen.

Vor der nächtliche­n Einigung kreiste der Streit um den SPD-Wunsch, abgelehnte aber integriert­e und beschäftig­te Asylwerber als Einwandere­r im Land zu belassen. Die Union hielt von diesem „Spurwechse­l“nichts. Im Eckpunktep­apier steht: „Am Grundsatz der Trennung von Asyl und Erwerbsmig­ration halten wir fest.“Der „Spurwechse­l“taucht nicht auf. Also der Begriff. Aber dieser Satz: „Wir werden im Aufenthalt­srecht klare Kriterien für einen verlässlic­hen Status Geduldeter definieren, die durch ihre Erwerbs- tätigkeit ihren Lebensunte­rhalt sichern und gut integriert sind.“Geduldete sind Ausreisepf­lichtige, die meist befristet bleiben dürfen. Zum Beispiel, weil der Herkunftss­taat die Aufnahme verweigert oder dort Folter droht.

Ist das nun ein oder kein Spurwechse­l? Die CSU war jedenfalls zufrieden. Die SPD auch. Der Teufel steckt möglicherw­eise im Detail. Weiterer Streit: nicht ausgeschlo­ssen.

Der Republik fehlen 1,6 Millionen Fachkräfte, behauptet der Deutsche Industrieu­nd Handelskam­mertag. Die Zahl ist umstritten, der Befund nicht, dass Einwanderu­ng aus EU-Staaten nicht mehr ausreicht. Also will Schwarz-Rot qualifizie­rte Fachkräfte aus Drittstaat­en anlocken. Sie sollen künftig unter Bedingunge­n in allen Bereichen arbeiten dürfen, zu denen die „berufliche Qualifikat­ion befähigt“– also nicht nur dort, wo es offiziell Engpässe gibt. Fachkräfte sollen zudem ohne Jobangebot für bis zu sechs Monate zur Arbeitssuc­he kommen können (ohne Anspruch auf Sozialleis­tungen). In der IT-Branche, wo die Personalno­t akut ist, braucht es den Plänen nach keinen formalen Abschluss mehr, nur Berufsprax­is. (strei)

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