Wie der China-Express Europa überrollt
Technologietransfer. Die chinesische Bahnindustrie drängt massiv nach Europa. Mithilfe von aus Europa transferierter Hochtechnologie. Die hiesigen Bahnzulieferer verlangen nun Bremsklötze gegen den Wettbewerb mit ungleichen Karten.
In der EU wächst, „Die Presse“berichtete diese Woche, die Sorge, dass sich chinesische Staatsunternehmen per Firmenübernahmen europäische Hochtechnologie unter den Nagel reißen – und dann mithilfe dieses Technologietransfers Europa überrollen. Man überlegt Maßnahmen, wie man dies verhindern könnte.
Ein bisschen spät allerdings. Denn in vielen Branchen ist das längst passiert. Und die solcherart zu Konkurrenten gewordenen chinesischen Konzerne sind gerade dabei, die europäischen Märkte aufzurollen. Europa wehrt sich, im Gegensatz etwa zu den USA, zumindest bisher nicht adäquat.
Ein schönes Beispiel liefert die Bahnzulieferindustrie. Die Hersteller von Lokomotiven, Waggons, Signalanlagen etc. kommen auf einen Weltmarktumsatz von beachtlichen 170 Mrd. Dollar. Große Weltmarktplayer und globale Technologieführer waren in diesem Umfeld bis vor einigen Jahren Konzerne wie Siemens, Bombardier und Alstom.
Das hat sich grundlegend gewandelt. Der mit Abstand größte Player auf diesem Markt ist jetzt der chinesische Staatskonzern CRRC, der unterdessen deutlich mehr umsetzt als Siemens, Bombardier und Alstom zusammen. CRRC ist mithilfe von umfassenden Technologietransfers von der europäischen Konkurrenz aufgepäppelt worden, hat die Westpartner dann teilweise aus den entsprechenden Joint Ventures gedrängt und macht jetzt auf Basis der transferierten Technologie blendende Geschäfte.
Bisher hat das niemanden sonderlich aufgeregt, denn die Kapazität des Bahnriesen wurde praktisch zur Gänze im Inland benötigt: China hat in den vergangenen 15 Jahren ein riesiges Bahnnetz aufgebaut und gehört heute, was beispielsweise das Superschnellzugnetz betrifft, zu den führenden Eisenbahnländern der Welt.
Freilich: Der Inlandsmarkt ist weitgehend gesättigt, sodass sich die Chinesen jetzt auf die Exportmärkte zu konzentrieren beginnen. Auch auf Europa. Einen Fuß haben sie schon in der Tür: Die tschechische Privatbahn LEO beispielsweise, die den Personenverkehr zwischen Prag und Berlin aufmischen möchte, bezieht ihre Schnellzüge von CRRC. Und die Deutsche Bahn hat einen ersten, wenn auch kleinen, Lokomotivenauftrag in China platziert.
Da macht die europäische Bahnindustrie zunehmend nervös. Denn in diesem Spiel sind die Karten ungleich verteilt: Während die chinesischen Staatskonzerne praktisch ungehinderten Zugang zum europäischen Markt haben, läuft umgekehrt gar nichts. Wer in China Eisenbahntechnik liefern will, muss zumindest ein Joint Venture mit einem chinesischen Anbieter (samt dem damit verbundenen Technologietransfer) nachweisen.
Die Amerikaner haben das Problem unterdessen gut gelöst: Chinesische Unternehmen, die ins US-Eisenbahngeschäft wollen, müssen bei den dort verkauften Produkten 70 Prozent amerikanische Wertschöpfung nachweisen. Ein Einkauf in China ist also nur möglich, wenn zumindest teilweise in den Vereinigten Staaten produziert oder von dort zugeliefert wird.
Das wünscht sich in ähnlicher Form auch Manfred Reisner, Geschäftsführer bei Knorr-Bremse und Präsident des österreichischen Verbands der Eisenbahnindustrie. Zumindest bei der Beschaffung der staatlichen Eisenbahngesellschaften sollte für Lieferungen aus Drittländern ein substanzieller Wertschöpfungsanteil in der EU vorgeschrieben werden, meinte Reisner im Gespräch mit der „Presse“. Zwar würde das heimische Vergabegesetz schon jetzt die Vorschreibung eines MindestWertschöpfungsanteils von fünfzig Prozent ermöglichen. Das wird aber offensichtlich noch nicht zur Genüge genützt.
Besonders die Beschaffungspolitik in Osteuropa ärgert den Bahnindustrie-Manager: Es sei seltsam, dass angesichts der ungleichen Wettbewerbschancen staatliche osteuropäische Bahngesellschaften mithilfe von EU-Geld groß in China einkaufen.
Osteuropa ist im Infrastrukturbereich freilich schon stark unter chinesischer Dominanz: Im Rahmen des sogenannten Seidenstraßenprojekts wird mit chinesischer Finanzierung umfassend in Infrastruktur investiert.
Und dort könnten sich Seidenstraßenromantiker auch einmal anschauen, wie das China-Geschäft normalerweise läuft: Was mit chinesischem Geld finanziert wird, wird ausschließlich von chinesischen Unternehmen mit chinesischen Arbeitskräften errichtet. Schließlich geht es nicht um Wirtschaftsbeziehungen auf Augenhöhe, sondern um ein Projekt, das China weltwirtschaftliche Dominanz sichern soll. Die EU hat auch in Sachen Seidenstraße noch kein Rezept gegen die chinesische Eroberungsstrategie gefunden. Aber immerhin: Diskutiert wird schon.
Wie der Transfer europäischer Hochtechnologie enden kann, zeigt übrigens das frühere deutsche Vorzeigeprojekt Transrapid: Der mehr als 400 Stundenkilometer schnelle Magnetschwebezug wurde von Siemens und ThyssenKrupp in Deutschland entwickelt. Realisiert wurde die Referenzstrecke allerdings nicht, wie ursprünglich geplant, in München, sondern in Shanghai. In der Zwischenzeit ist das deutsche Transrapid-Werk in Kassel längst geschlossen. Dafür beginnen die Chinesen, in mehreren Städten abgespeckte, kostengünstigere Transrapid-Systeme zu installieren. Die treibende Kraft dahinter ist der Eisenbahngigant CRRC. Wundern würde es niemanden, wenn die deutsche Magnetschwebebahn solcherart eines Tages als rein chinesisches Produkt nach Europa käme.