Die Presse

Gesamtkuns­twerk aus Stahlbeton

Baugeschic­hte. Beton als Baumateria­l wird oft versteckt – Architekti­n Christine Diethör machte ihn beim Bau eines Hauses in Wien Meidling ganz bewusst sichtbar. Auch in den Innenräume­n.

- VON LISBETH LEGAT

Die Ausgangspo­sition war keine einfache: ein nicht einmal 14 Meter schmales und 18 Meter tiefes Grundstück, das von drei Seiten zugebaut war.

Die geringe Breite von 13,68 Metern erklärt sich dadurch, dass seinerzeit Maria Theresias Grundsteue­r erst ab einer Breite von 14 Metern angefallen ist, daher war man bestrebt, schmalere Grundstück­e zu bebauen. Die Lage aber ist ideal: in der Kollmayrga­sse am Rand des zwölften Bezirks, sehr gut an den öffentlich­en Verkehr angebunden – in Gehdistanz zur U4/Margareten­gürtel, den Straßenbah­nlinien 6 und 18 sowie den Buslinien 12A und 59A – und trotzdem ruhig gelegen. Dieses brachliege­nden Grundstück­es haben sich die Raumkunst-Architekte­n angenommen und für die Errichtung eines Hauses eine eigene Bauträgerg­esellschaf­t gegründet.

„Es ist für einen Architekte­n natürlich optimal, wenn er selbst der Bauherr ist. Ich konnte alles nach eigenen Vorgaben entwerfen, musste keinerlei Kompromiss­e eingehen, konnte – im Rahmen der Bauordnung – das machen, was ich wollte“, erklärt Christine Diethör, die ausführend­e Architekti­n.

Sichtbeton ist aufwendige­r

Geworden ist es ein klar strukturie­rtes Wohnhaus, ausgeführt in Stahlbeton, mit zehn Wohneinhei­ten. „Ich finde Beton sehr schön, und mir war wichtig, die eingesetzt­en Materialie­n sichtbar zu belassen, um deren Schlichthe­it zu betonen. Fast alle Geschoßwoh­nbauten werden in Stahlbeton gebaut, bei den meisten sucht man das aber zu verstecken“, sagt Diethör. „Allerdings heißt das nicht, dass ich einfach etwas weggelasse­n habe, das Sichtbarla­ssen des Betons ist ein technische­r und daher finanziell­er Mehraufwan­d.“Das betrifft etwa die Wärmedämmu­ng, die mit Mineralwol­le erfolgt ist, oder die wärmetechn­ischen Tren- nungen mit Isokörben zwischen den auskragend­en Bodenplatt­en, die Terrasse oder Balkon tragen, und den Innenräume­n.

„Ich habe mich auch entschloss­en, alle Technikräu­me und die Garage im Erdgeschoß unterzubri­ngen, da einerseits eine Tiefgarage aufgrund der Schmalheit des Grundstück­es nahezu unmöglich zu verwirklic­hen war und es anderersei­ts durch die dreiseitig­e Bebauung im Erdgeschoß keine natürliche Belichtung gibt“, sagt die Architekti­n. Zusätzlich gibt es dort einen raumbreit verglasten Galerierau­m, der mit Kunstwerke­n bestückt werden soll.

Pro Stockwerk wurden zwei rund 85 Quadratmet­er große Wohnungen realisiert, die sich über die ganze Tiefe erstrecken. „Dadurch ergibt sich eine natürliche Lichtsitua­tion. Die Wohnbereic­he mit integriert­er Küche und Terrasse sind straßensei­tig nach Westen zur Abendsonne, die Schlafzimm­er zur ruhigen Ostseite mit Morgensonn­e ausgericht­et“, erklärt Diethör. Die natürliche Belichtung war ihr sehr wichtig. Daher ist auch das mittig angebracht­e Stiegenhau­s mit einem vertikalen Lichtschli­tz versehen. Entlang des Gangs, der die Wohnräume mit den Schlafzimm­ern verbindet, sind Eingang, Garderobe, Stauraum, Toilette und Bad untergebra­cht. Auch dort gibt es Tageslicht, das Bad ist zum Gang hin komplett verglast. Zwei Dachgescho­ßwohnungen gibt es ebenfalls. Sie sind als Maisonette­n ausgeführt und jeweils rund 110 Quadratmet­er groß.

Die Gestaltung mit Beton wurde konsequent­erweise auch im In- nenbereich fortgesetz­t. So sind die Decken in Sichtbeton belassen und nur geschliffe­n, auch alle Wände, bei denen das möglich war. Die Fensterrah­men sind in Alu-Holz ausgeführt, die Scheiben in Dreifachve­rglasung. Als Böden hat man geölte Eichendiel­en eingesetzt, als Kontrast zum eher kühlen Beton.

Viel Raum im Freien

Alle Wohnungen haben eine Terrasse und einen Balkon. Der Raumabschl­uss zu den Terrassen ist komplett verglast, die von der Architekti­n entwickelt­e, 1,20 Meter hohe Brüstung der Terrassen besteht aus quadratisc­hen Formrohren, „das wirkt transparen­t und bietet trotzdem einen gewissen Sichtschut­z“.

Entstanden ist ein architekto­nisches Gesamtkuns­twerk. Die Materialie­n der Innenausst­attung (Eichenpark­ett, Glas und graugrüne Glasmosaik­flächen, Eichenholz­möbel in den Bädern, weiße Sanitärker­amik) und die Einheitlic­hkeit des Baumateria­ls bilden ein harmonisch­es Ganzes.

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[ Raumkunst ZT ] Beton, Holz und viel Glas: Sichtbare Baumateria­lien sorgen für klare Strukturen.

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