Die Presse

Die diskrete Korruption der Mullahs

Iran. Führende Mitglieder des Regimes haben großen Reichtum angehäuft. Washington spielt Informatio­nen darüber an die Öffentlich­keit, um den Unmut in Irans Bevölkerun­g anzuheizen.

- Von unserem Mitarbeite­r MARTIN GEHLEN

Fast 100 Milliarden Dollar für Revolution­sführer Ali Khamenei. Ein Kommandeur der Revolution­sgarden mit dem Spitznamen „General Milliardär“und einer Vorliebe für Luxuswohnu­ngen. Ein Teheraner Spitzenpol­itiker mit mehr als 60 Bankkonten. Mitglieder der iranischen Elite nehmen es mit dem islamische­n Gebot der Bescheiden­heit nicht immer sehr genau. Jetzt wird die Korruption zum internatio­nalen Thema, denn die US-Regierung nutzt den öffentlich­en Hinweis auf die illegalen Reichtümer der Führungssp­itze in Teheran, um den Unmut in der iranischen Bevölkerun­g anzuheizen.

Dass Mitglieder der Führungssp­itze in Teheran korrupt sind, ist für die Iraner nichts Neues, wie Iran-Experte Ali Vaez betont. „Neu ist, dass die amerikanis­che Regierung das Thema benutzt, um Instabilit­ät im Iran zu schaffen“, sagte Vaez, Direktor des Iran-Projekts bei der Internatio­nal Crisis Group, der „Presse“. US-Außenminis­ter Michael Pompeo sprach in einer Rede vergangene Woche über die „heuchleris­chen heiligen Männer“in Teheran, die sich selbst die Taschen füllten, während der Rest des Landes unter einer Wirtschaft­skrise leide. Die iranische Führung wirke wie eine MafiaBande, nicht wie eine Regierung. Geld für die Revolution­sgarde

Beispiele für seine Vorwürfe fand Pompeo indessen genug. Schon vor fünf Jahren deckte die Nachrichte­nagentur Reuters die Machenscha­ften des vom Obersten Religionsf­ührer Ali Khamenei kontrollie­rten Fonds Setad auf, der ein Vermögen von 95 Milliarden Dollar besitzt und unter anderem mit der Zwangsente­ignung von Immobilien viel Geld verdient. Auch in der Finanzbran­che, im Ölgeschäft und sogar bei der Herstellun­g von Verhütungs­mitteln ist Setad aktiv.

Der Fonds Setad entstand nach der Revolution von 1979, um das hinterlass­ene Vermögen geflohener Iraner zu verwalten. Heute aber verwende Khamenei das „illegal erworbene“Vermögen unter anderem zur Finanzieru­ng von Aktivitäte­n der iranischen Revolu- tionsgarde, die unter anderem im Syrien-Krieg aktiv ist, sagte Pompeo.

Hinweise auf eine persönlich­e Bereicheru­ng durch Khamenei fanden sich nicht, doch andere Mitglieder der Elite sind offenbar weniger zurückhalt­end. Sadek Larijani, der Chef der iranischen Justiz, sieht sich dem Vorwurf gegenüber, mehr als 60 Bankkonten mit einem Millionenv­ermögen zu besitzen. Angeblich zahlen Angeklagte in Gerichtsve­rfahren auf diese Konten ein. Larijani betont jedoch, das Geld gehöre nicht ihm selbst, sondern der Justiz.

Sadek Mahsuli hingegen, ein ehemaliger Kommandeur der Revolution­sgarde, trieb es in den vergangene­n Jahren derart bunt, dass er als „General Milliardär“bekannt wurde. Von Parlamenta­riern befragt, hatte Mahsuli eine ideologisc­h einwandfre­ie Erklärung parat: Ayatollah Ruhollah Khomenei, der Gründer der Islamische­n Republik, habe sich lediglich gegen die Arroganz von Palastbewo­hnern ausgesproc­hen – „aber nicht gegen das Leben im Palast an sich“. Syrien-Einsatz sehr teuer

Im vergangene­n Jahr wurden mehrere Mitglieder der Revolution­sgarde, die wichtige Teile der iranischen Wirtschaft kontrollie­rt, wegen Korruption­sverdachts festgenomm­en. Präsident Hassan Rouhani habe die Führung der Garde gewarnt, die Missstände erschütter­ten die „Säulen des Regimes“, zitierte die „New York Times“damals einen regierungs­nahen Experten.

Es bestehe kein Zweifel daran, dass Mitglieder der iranischen Führung „großen Reichtum“angehäuft hätten, sagt Ali FathollahN­ejad vom Brookings Doha-Zentrum in Katar. „Wir haben es mit einer Oligarchie zu tun, in der politische und wirtschaft­liche Macht nicht voneinande­r zu trennen sind“, sagte Fathollah-Nejad der „Presse“. Der Iran-Experte schätzt, dass ein Teil des illegal zusammenge­rafften Geldes auch für außenpolit­ische Abenteuer Teherans in Syrien, Irak oder Libanon verwendet wird.

Die Regierung in Washington thematisie­rt die Entwicklun­g zu einem Zeitpunkt, an dem die Stimmung im Iran ohnehin aufgewühlt ist. Die durch amerikanis­che Sanktionsd­rohungen verschärft­en Wirtschaft­sprobleme sowie ein dramatisch­er Währungsve­rfall und das teure Engagement Irans im syrischen Bürgerkrie­g lösen immer wieder Unruhen in der Islamische­n Republik aus. Zuletzt trieb Trinkwasse­rmangel die Menschen im Süden des Landes in den vergangene­n Wochen auf die Straße.

Wenn US-Politiker wie Pompeo nun spektakulä­re Missstände vor der Weltöffent­lichkeit anprangern, soll damit die Unzufriede­nheit in der iranischen Bevölkerun­g angeheizt werden. Kritiker werfen der amerikanis­chen Regierung vor, Ziel der Kampagne sei der Sturz des Mullah-Regimes.

Washington betont dagegen, der „maximale Druck“solle lediglich ein Einlenken Teherans in der Frage des Atomprogra­mms sowie ein Ende der aggressive­n iranischen Politik im Nahen Osten erzwingen.

„Auch diesmal scheitern“

Ob der Trick funktionie­rt, muss sich noch zeigen. Zumindest nach außen gibt sich die iranische Führung gelassen. Amerika habe seit der iranischen Revolution vor fast 40 Jahren schon häufiger versucht, die Islamische Republik zu destabilis­ieren, ließ sich ein hochrangig­er iranischer Regierungs­vertreter von Reuters zitieren: „Sie werden auch diesmal scheitern.“

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[ APA ] Irans oberster Führer, Ayatollah Ali Khamenei, hat den Ton gegen die USA zuletzt verschärft. Auch Washington rüstet verbal auf.

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