Die Presse

Frauen? In der Musik? Na was denn sonst!

Weil wir immer noch darüber reden müssen: ein Zwischenru­f zu einem schier ewigen Thema. Samt Hinweis auf die Ausstellun­g „Musica Femina“in Wien.

- Von Monika Mertl

Ist die Musik männlich?“lautete der provokante Titel einer Studie von Elena Ostleitner und Ursula Simek Anfang der 1990er-Jahre. Als ich selbst 1988 erstmals eine Artikelser­ie über Komponisti­nnen in Musikgesch­ichte und Gegenwart schrieb, nannte ich sie „Unsichtbar­e Gegner“, weil die Strukturen, die Frauen am schöpferis­chen Tun hinderten, gesellscha­ftlich sanktionie­rt und zumeist gut verborgen waren. Mein Chefredakt­eur, ein freundlich­er Patriarch, der mich zu dieser Recherche ermuntert hatte, ersetzte mir bei der Endkorrekt­ur das Wort „frauenfein­dlich“durch ein euphemisti­sches „antiweibli­ch“. So schlimm würde es wohl doch nicht sein, seiner Meinung nach.

Es war noch schlimmer. Vor allem schlimmer als heute. Denn mittlerwei­le haben sich wenigstens die „Sichtverhä­ltnisse“verbessert: die Mechanisme­n, mit denen Frauen – bewusst oder unbewusst – benachteil­igt und verhindert werden, sind bekannt und benannt.

Außerdem hat sich die Präsenz von Frauen im Musikleben signifikan­t erhöht, speziell im Bereich der Interpreta­tion, sogar im Verein Wiener Philharmon­iker. Dirigentin­nen beginnen sich in einer Weise zu behaupten, dass sie vielleicht bald eine Selbstvers­tändlichke­it darstellen. Und Komponisti­nnen haben heute weitaus mehr Möglichkei­ten, sich zu entwickeln und hörbar zu werden.

All das freilich kann kein Grund sein, die zufrieden zurücklehn­en, denn von Gleichbere­chtigung sind wir so weit entfernt wie eh und je.

Betrachten wir etwa den renommiert­en Ernst-von-Siemens-Musikpreis: In den mehr als 40 Jahren seines Bestehens konnte eine einzige Frau den Hauptpreis für ein Lebenswerk entgegenne­hmen: Anne-Sophie Mutter 2008. Wie sagt doch Elfriede Jelinek: Ein Werk gesteht man einer Frau nicht zu.

Wer befindet über die Qualität?

Das gängige Argument, dass es in der Kunst nicht um die Quote, sondern einzig um Qualität, um künstleris­che Exzellenz gehen könne – geschenkt! Niemand wird das bestreiten. Nur: Wer befindet über diese Qualität? Und spielen für den Erfolg nicht auch andere Kriterien eine Rolle, nämlich ein passendes Umfeld, Strukturen, die das Fortkommen ermögliche­n?

Da liegt der Hund begraben, denn in diesem Punkt unterschei­det sich die Musik von anderen Kunstspart­en. Im Theater etwa, das auf Frauen mindestens seit den Zeiten der Neuberin weder auf noch hinter der Bühne verzichten kann, haben sich zuletzt – spät, aber doch – etliche Intendanti­nnen etabliert.

Der Klassikbet­rieb dagegen hat sich aus dem bürgerlich­en Musikleben des 19. Jahrhunder­ts entwickelt, aufgebaut von gesellscha­ftlich einflussre­ichen, kunstbefli­ssenen Männern. Dieses patriarcha­le System hat sich in jenen Gremien der großen Musikinsti­tutionen, wo Entscheidu­ngen über Personal und Geld getroffen werden, bis heute gehalten. Frauen sind dort kaum vertreten.

Die vielleicht schönste Ausnahme, die die Regel bestätigt: Am Opernhaus Graz führt die erfolgreic­he junge Intendanti­n Nora Schmidt exemplaris­ch vor, wie Veränderun­g möglich ist.

Wir müssen weiterhin darüber reden! Die aktuelle Ausstellun­g zum Thema: „Musica Femina“, gestaltet von Irene Suchy und Clarisse Maylunas, läuft noch bis 2. September in der Orangerie des Schlosses Schönbrunn (geöffnet täglich von 9 bis 18 Uhr). Näheres unter www.musicafemi­na.at.

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