Die Presse

Kärnten: Wo Rot-Schwarz noch funktionie­rt

Landespoli­tik. Nach 100 Tagen zieht die SPÖ-ÖVP-Koalition eine positive Bilanz. Beobachter sehen eine klare Dominanz der Sozialdemo­kraten, die ÖVP müsse ihre Rolle als Juniorpart­ner in der Regierung noch finden.

- VON MARTIN FRITZL

Wien/Klagenfurt. Nach 60 Tagen hatte der Kärntner SPÖ-Landeshaup­tmann, Peter Kaiser, eine erste Bilanz seiner Regierung noch allein präsentier­t, nach hundert Tagen durfte der Koalitions­partner dabei sein: Kaiser und der Kärntner ÖVP-Chef, Martin Gruber, stellten die Erfolge der rot-schwarzen Koalition vor – von guten Wirtschaft­szahlen bis hin zu einer Milliarden­investitio­n beim Chipherste­ller Infineon, für die die Landespoli­tik einen Beitrag geleistet habe.

Die Zusammenar­beit verlaufe gut, versichert­en beide Partner. Und tatsächlic­h wird in Kärnten kaum über Konflikte in der ersten Koalition auf Landeseben­e (bisher gab es Konzentrat­ionsregier­ungen, in der alle Parteien vertreten waren) berichtet. Lediglich bei der Bestellung des neuen Bildungsdi­rektors soll es Verstimmun­gen beim kleinen Koalitions­partner gegeben haben, wurde doch ein SPÖ-naher Mann nominiert. Doch selbst das drang nicht an die Öffentlich­keit.

Koalition nach Ultimatum

Die gute Zusammenar­beit ist nicht selbstvers­tändlich. Nicht nur wegen der bundespoli­tischen Konstellat­ion, auch der Start in die rotschwarz­e Koalition war holprig gewesen. Die ÖVP hatte den damaligen Parteichef Christian Benger gegen alle Abmachunge­n nach Abschluss der Verhandlun­gen ausgetausc­ht, die SPÖ reagierte mit einem Ultimatum: Die Koalition gebe es nur, wenn das Einstimmig­keitsprinz­ip in der Regierung fällt, die SPÖ die Beschlüsse also im Alleingang treffen kann.

Von diesem Recht haben die Sozialdemo­kraten in den ersten hundert Tagen keinen Gebrauch gemacht – und man wolle das auch in Zukunft nicht, bekräftigt­e Kaiser am Freitag. Trotzdem bietet diese per Verfassung­sänderung fixierte Option der SPÖ eine komfortabl­e Position: Sie kann mit 18 von 36 Mandaten im Landtag nicht überstimmt werden, und die ÖVP kann auch in der Landesregi­erung nichts blockieren.

Quasi-Alleinregi­erung der SPÖ

So hat die ÖVP, die mit Martin Gruber einen jungen, ambitionie­rten Bürgermeis­ter an die Spitze geholt hat, ihre Rolle noch nicht ganz gefunden. Ein eigenständ­iges Profil gelingt maximal bei Bundesthem­en, die von der Koalitions­vereinbaru­ng ausdrückli­ch ausgenomme­n wurden, nicht aber auf Landeseben­e.

„Die ÖVP gibt es nicht, wir haben quasi eine Alleinregi­erung der SPÖ“, ätzt der frühere freiheitli­che Landesrat Christian Ragger. Die ÖVP habe sich mit der Aufgabe des Einstimmig­keitsprinz­ips in der Re- gierung massiv unter Wert an die SPÖ verkauft. Auch beim Team Kärnten ortet man ein „devotes“Verhalten Grubers gegenüber dem Landeshaup­tmann.

Inhaltlich kritisiere­n beide Opposition­sparteien Versäumnis­se der Koalition beim Ausbau der Infrastruk­tur. „Team Kärnten“-Chef Gerhard Köfer spricht auch von „Reformverw­eigerung und Postenscha­cher“. Umgekehrt sehen auch Kaiser und Gruber die Opposition nicht ganz so positiv: Auch diese habe ihre Rolle noch nicht gefunden. Kaiser kündigte eine Aufwertung der Opposition an: Diese werde demnächst per Gesetzesän­derung auch in den Gremien der Landeshold­ing vertreten sein.

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