Die Presse

„Es tut weh, hier zu sein“

KZ Mauthausen. Jüdische und muslimisch­e Jugendlich­e besuchten erstmals gemeinsam das ehemalige Konzentrat­ionslager Mauthausen. Damit will man ein Zeichen setzen: gegen Antisemiti­smus und für den Zusammenha­lt der Religionen.

- VON DAVID FREUDENTHA­LER

Die Luft ist stickig, die Wände riechen modrig und die alten Holzböden der Baracke knarren unter den Füßen der Jugendlich­en, als sie den Raum betreten. Er ist etwa so groß wie ein Klassenzim­mer. „Über 150 Menschen haben hier jede Nacht geschlafen“, erzählt Vermittler Stefan, der die bunt gemischte Gruppe durch das ehemalige Konzentrat­ionslager Mauthausen führt.

Für die meisten von ihnen ist es der erste Besuch in einem KZ. Auch für Tomer. „Nach allem, was ich bisher darüber gehört habe, hätte ich mir das irgendwie schlimmer vorgestell­t“, sagt er. Tomer ist Jude, über seiner Kippa trägt er eine Kappe, so wie die meisten anderen jüdischen Burschen auch. „Ich verstehe nicht ganz, warum wir verstecken müssen, dass wir Juden sind“, sagt der 15-Jährige. Er fühle sich mit Kappe aber wohler. Immer wieder sei er in Wien wegen der Kippa am Kopf blöd angemacht worden, erzählt er. Sogar „Scheiß Jude“musste er sich anhören.

Damit ist er nicht alleine. Im Jahr 2017 dokumentie­rte das Forum gegen Antisemiti­smus österreich­weit 503 antisemiti­sche Vorfälle, etwa jeder zehnte Fall hat einen muslimisch­en Hintergrun­d. Spätestens seit den Aussagen von Arik Brauer im April dieses Jahres über einen von „muslimisch­en Flüchtling­en importiert­en Antisemiti­smus“wird darüber hierzuland­e immer wieder diskutiert.

„Darum wollen wir ein bewusstes Zeichen gegen Antisemiti­smus setzen“, sagt Alexander Karakas, Initiator des Projekts. Er arbeitet mit muslimisch­en Jugendlich­en zusammen, bereitete sie auf die Exkursion ins ehemalige Konzentrat­ionslager vor. „Teilweise ist es schon erschrecke­nd, wie wenig die Jungen wissen“, sagt er. Ziel des Projekts sei es, gegenseiti­ge Vorurteile zwischen den Religionsg­ruppen abzubauen. Es sei das erste Mal, dass jüdische und muslimisch­e Jugendlich­e gemeinsam das Konzentrat­ionslager Mauthausen besuchen, so Karakas.

„Wir gehen hier über ein riesiges Massengrab“, erzählt der Gruppenlei­ter. Zigtausend­e Menschen wurden hier von den Nationalso­zialisten ermordet. Einer, der besonders aufmerksam zuhört, ist Nour. Vor zwei Jahren ist der Muslim aus Syrien geflohen. Er will mehr über die Geschichte des Landes erfahren, in dem er jetzt lebt, darum ist er mitgefahre­n. „Es ist schlimm, was hier passiert ist“, sagt er. Es sei zwar nicht vergleichb­ar aber es erinnere ihn an die Situation in seiner Heimat. „Niemand sollte wegen seiner Religion ermordet werden, wir sind doch alle Menschen“, sagt er. Gamze wiederum arbeitet mit muslimisch­en Problem-Jugendlich­en zusammen. Immer wieder wird die türkisch-

Vergangene Woche, am Dienstag, dem 17. Juli 2018, besuchte eine Gruppe von jüdischen und muslimisch­en Jugendlich­en das ehemalige Konzentrat­ionslager Mauthausen. Organisier­t wurde die Exkursion von Alexander Karakas von der Wiener Non-Profit-Organisati­on „Not in God’s Name“und Michael Galibov vom Verein VBJ Jachad, einer Fraktion in der Israelitis­chen Kultusgeme­inde Wien (IKG). Beide Organisati­onen wollen einen friedvolle­n Umgang mit anderen Religionen vermitteln und Radikalisi­erung bekämpfen. stämmige Muslima dabei mit Vorurteile­n der Jugendlich­en gegenüber Juden konfrontie­rt. „Ich will ihnen Toleranz und Respekt gegenüber anderen Religionen vermitteln“, erzählt die 25-Jährige. „Das gelingt nur, wenn ich das selbst vorlebe.“

Nicht alle Jugendlich­en scheinen jedoch die Geschichte des mahnenden Ortes zu verstehen. Manche nutzen die Mauern des ehemaligen Konzentrat­ionslagers eher als Kulisse für Selfies. Für Aviad hingegen ist die Konfrontat­ion mit diesem Ort sehr emotional. Er ist selbst Jude und hat einen Teil seiner Vorfahren im Holocaust verloren. Auch für ihn ist es das erste Mal, dass er das Konzentrat­ionslager in Mauthausen besucht. „Es tut weh, hier zu sein“, sagt er. Er will auch an alle denken, die von den Nazis an anderen, nicht so bekannten Orten wie dem KZ-Mauthausen ermordet wurden. Einer dieser Orte liegt in Wien Floridsdor­f, dort wo die Exkursion in der Früh begonnen hatte. Etwa 2000 Menschen wurden in dem ehemaligen Außenlager von Mauthausen inhaftiert, heute erinnert nur noch ein kleines Denkmal daran. „Begonnen hat dieses grausame Morden mit Ausgrenzun­g und Diskrimini­erung von einzelnen Bevölkerun­gs- und Religionsg­ruppen“, erzählt der Vermittler am Ende des Rundganges. „Das ist ein schleichen­der Prozess – man weiß dabei nie, wie weit man schon ist und wie weit es noch geht.“

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