„Es tut weh, hier zu sein“
KZ Mauthausen. Jüdische und muslimische Jugendliche besuchten erstmals gemeinsam das ehemalige Konzentrationslager Mauthausen. Damit will man ein Zeichen setzen: gegen Antisemitismus und für den Zusammenhalt der Religionen.
Die Luft ist stickig, die Wände riechen modrig und die alten Holzböden der Baracke knarren unter den Füßen der Jugendlichen, als sie den Raum betreten. Er ist etwa so groß wie ein Klassenzimmer. „Über 150 Menschen haben hier jede Nacht geschlafen“, erzählt Vermittler Stefan, der die bunt gemischte Gruppe durch das ehemalige Konzentrationslager Mauthausen führt.
Für die meisten von ihnen ist es der erste Besuch in einem KZ. Auch für Tomer. „Nach allem, was ich bisher darüber gehört habe, hätte ich mir das irgendwie schlimmer vorgestellt“, sagt er. Tomer ist Jude, über seiner Kippa trägt er eine Kappe, so wie die meisten anderen jüdischen Burschen auch. „Ich verstehe nicht ganz, warum wir verstecken müssen, dass wir Juden sind“, sagt der 15-Jährige. Er fühle sich mit Kappe aber wohler. Immer wieder sei er in Wien wegen der Kippa am Kopf blöd angemacht worden, erzählt er. Sogar „Scheiß Jude“musste er sich anhören.
Damit ist er nicht alleine. Im Jahr 2017 dokumentierte das Forum gegen Antisemitismus österreichweit 503 antisemitische Vorfälle, etwa jeder zehnte Fall hat einen muslimischen Hintergrund. Spätestens seit den Aussagen von Arik Brauer im April dieses Jahres über einen von „muslimischen Flüchtlingen importierten Antisemitismus“wird darüber hierzulande immer wieder diskutiert.
„Darum wollen wir ein bewusstes Zeichen gegen Antisemitismus setzen“, sagt Alexander Karakas, Initiator des Projekts. Er arbeitet mit muslimischen Jugendlichen zusammen, bereitete sie auf die Exkursion ins ehemalige Konzentrationslager vor. „Teilweise ist es schon erschreckend, wie wenig die Jungen wissen“, sagt er. Ziel des Projekts sei es, gegenseitige Vorurteile zwischen den Religionsgruppen abzubauen. Es sei das erste Mal, dass jüdische und muslimische Jugendliche gemeinsam das Konzentrationslager Mauthausen besuchen, so Karakas.
„Wir gehen hier über ein riesiges Massengrab“, erzählt der Gruppenleiter. Zigtausende Menschen wurden hier von den Nationalsozialisten ermordet. Einer, der besonders aufmerksam zuhört, ist Nour. Vor zwei Jahren ist der Muslim aus Syrien geflohen. Er will mehr über die Geschichte des Landes erfahren, in dem er jetzt lebt, darum ist er mitgefahren. „Es ist schlimm, was hier passiert ist“, sagt er. Es sei zwar nicht vergleichbar aber es erinnere ihn an die Situation in seiner Heimat. „Niemand sollte wegen seiner Religion ermordet werden, wir sind doch alle Menschen“, sagt er. Gamze wiederum arbeitet mit muslimischen Problem-Jugendlichen zusammen. Immer wieder wird die türkisch-
Vergangene Woche, am Dienstag, dem 17. Juli 2018, besuchte eine Gruppe von jüdischen und muslimischen Jugendlichen das ehemalige Konzentrationslager Mauthausen. Organisiert wurde die Exkursion von Alexander Karakas von der Wiener Non-Profit-Organisation „Not in God’s Name“und Michael Galibov vom Verein VBJ Jachad, einer Fraktion in der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG). Beide Organisationen wollen einen friedvollen Umgang mit anderen Religionen vermitteln und Radikalisierung bekämpfen. stämmige Muslima dabei mit Vorurteilen der Jugendlichen gegenüber Juden konfrontiert. „Ich will ihnen Toleranz und Respekt gegenüber anderen Religionen vermitteln“, erzählt die 25-Jährige. „Das gelingt nur, wenn ich das selbst vorlebe.“
Nicht alle Jugendlichen scheinen jedoch die Geschichte des mahnenden Ortes zu verstehen. Manche nutzen die Mauern des ehemaligen Konzentrationslagers eher als Kulisse für Selfies. Für Aviad hingegen ist die Konfrontation mit diesem Ort sehr emotional. Er ist selbst Jude und hat einen Teil seiner Vorfahren im Holocaust verloren. Auch für ihn ist es das erste Mal, dass er das Konzentrationslager in Mauthausen besucht. „Es tut weh, hier zu sein“, sagt er. Er will auch an alle denken, die von den Nazis an anderen, nicht so bekannten Orten wie dem KZ-Mauthausen ermordet wurden. Einer dieser Orte liegt in Wien Floridsdorf, dort wo die Exkursion in der Früh begonnen hatte. Etwa 2000 Menschen wurden in dem ehemaligen Außenlager von Mauthausen inhaftiert, heute erinnert nur noch ein kleines Denkmal daran. „Begonnen hat dieses grausame Morden mit Ausgrenzung und Diskriminierung von einzelnen Bevölkerungs- und Religionsgruppen“, erzählt der Vermittler am Ende des Rundganges. „Das ist ein schleichender Prozess – man weiß dabei nie, wie weit man schon ist und wie weit es noch geht.“