Die Presse

„Gerede um transatlan­tische Kluft übertriebe­n“

Interview. Trevor Traina, der neue US-Botschafte­r in Wien, will auch nach dem Nato-Gipfel und dem Treffen Trump/Putin keine Spannungen mit Europa sehen. Er spricht über Österreich­s Beziehunge­n zum Iran, über Sebastian Kurz und die FPÖ.

- VON WIELAND SCHNEIDER UND THOMAS VIEREGGE

Die Presse: Herr Botschafte­r, Freitagfrü­h sind wir mit der überrasche­nden Nachricht aufgewacht, dass Donald Trump Wladimir Putin nach Washington eingeladen hat – sehr zum Erstaunen der US-Geheimdien­ste. Wie sehen Sie diese neueste Volte? Gibt es tatsächlic­h einen transatlan­tischen Riss? Trevor Traina: Ich denke, dass das Gerede um die angebliche Kluft zwischen den USA und Europa ziemlich übertriebe­n ist. Es ist geradezu ironisch, dass das Engagement des Präsidente­n für Europa Kritik auf sich zieht. Ob es um eine stärkere Nato geht oder um bessere Beziehunge­n zu Russland: Das sind Zeichen eines neuen amerikanis­chen Engagement­s. Die Beziehunge­n zu Russland waren fast auf einem Allzeittie­f. Alles, was das Klima verbessert, ist positiv.

Die europäisch­en Politiker zeigen sich aber besorgt über Trumps Nato-Kurs. Die Resultate des Nato-Gipfels waren exzellent. Wir sehen eine potentere Nato, das war das Ziel des Präsidente­n. Er hat beim Kongress mehr Geld für die Verteidigu­ng erkämpft. Natürlich reagiert er sensibel, wenn er mehr Ressourcen in das Bündnis steckt und die Europäer es ihm nicht gleichtun. Sein Auftritt bei der Nato war vom Geist getragen, die Allianz zu stärken. Das kommt in der Abschlusse­rklärung zum Ausdruck.

In Teilen Europas herrscht aber das Gefühl vor, dass Trump mit den Feinden kuschelt, aber auf die Verbündete­n einschlägt. In Österreich höre ich vor allem, dass die Menschen bessere Beziehunge­n zu Russland wollen. Der Präsident will eine gemeinsame Ebene mit Russland finden – sei es in Syrien, sei es in Nordkorea. Das ist doch etwas Gutes.

Hat sich das US-Image in Europa verschlech­tert? Und wenn ja: Wie kann man es verbessern? Der Niedergang der Beziehunge­n zu den USA ist ein beliebtes Thema. Erst gestern habe ich einen Artikel aus dem Jahr 2003 dazu gelesen. Vielleicht werden wir das 2080 wieder tun. Die Beziehunge­n sind sehr gut, jene zwischen den USA und Österreich sogar exzellent. Meine Aufgabe ist es, neue Wege der Kooperatio­n zu erkunden. Sehen Sie einen Anstieg des Antiamerik­anismus? Ich höre Beschwerde­n über die USA, die Lärm erzeugen. Ich frage die Leute dann: „Haben Sie ein i-Pad? Hören Sie amerikanis­che Musik? Tragen Sie Levis-Jeans?“Und meist sagen sie: „Natürlich.“Es ist sehr populär, sich über die USA zu beklagen. Doch die Verbindung­en gehen sehr tief. Ich muss manchmal darüber lachen: Zum einen beschweren sie sich über unser Land, zum anderen fliegen sie daraufhin nach New York.

Wie viel Zeit verbringen Sie denn derzeit damit, die Bocksprüng­e des US-Präsidente­n zu erklären? Diese Regierung unterschei­det sich von vorherigen, weil sie sich ganz stark auf Business und wirtschaft­liche Perspektiv­en konzentrie­rt. Das ist auch mein Background. Ich versuche, mich da einzubring­en. Und das ist auch ein Grund, warum ich hier bin.

Österreich hat gute Kontakte zum Iran, die US-Regierung fährt eine harte Linie gegen Teheran. Zuletzt war Irans Präsident, Hassan Rohani, in Wien. Stört Sie das? Der Nukleardea­l ist daran geknüpft, den Iran davon abzuhalten, Atomwaffen zu entwickeln und seine Politik in der Region zu mäßigen – und im letzten Punkt hat sich die Lage in den vergangene­n Jahren verschlech­tert. Das jüngste Beispiel ist jener iranische Diplomat in Wien, der in ein Terrorkomp­lott in Paris involviert ist. Präsident Trump hat dem Dialog eineinhalb Jahre eingeräumt, bevor er die Entscheidu­ng getroffen hat, den Pakt aufzukündi­gen. Sogar jetzt würde er einen Dialog mit dem Iran begrüßen.

Österreich­ische Firmen sind aber besorgt, dass sie wegen ihrer Investitio­nen im Iran von den USA bestraft werden könnten. Was sagen Sie diesen Firmen? Den Firmen war immer klar, dass es ein Risiko gibt, wenn man im Iran Geschäfte macht. Die wirtschaft­lichen Möglichkei­ten im Iran sind sehr gering. Die USA hingegen sind der zweitgrößt­e Käufer österreich­ischer Waren weltweit. Ein kleiner Zuwachs an Handel mit Amerika ist viel mehr wert als der gesamte Handel mit dem Iran.

Der US-Botschafte­r in Berlin, Richard Grenell, scheint von Österreich­s Bundeskanz­ler, Sebastian Kurz, begeistert zu sein. Er hat sogar behauptet, Kurz sei „ein Rockstar“. Was halten Sie von dieser Kategorisi­erung? Kanzler Kurz ist ein gutes Beispiel für einen erfolgreic­hen Politiker des 21. Jahrhunder­ts. Die Welt verändert sich. Die Techniken, wie man eine Wahlkampag­ne führt, ändern sich. Er ist erfolgreic­h, weil er diese Trends erkannt und darauf geantworte­t hat.

Sein Koalitions­partner, FPÖ, sieht sich aber immer wieder mit Kritik konfrontie­rt, gerade auch in den USA. Es geht dabei auch um den Vorwurf des Antisemiti­smus. Mein Job ist es, alle Menschen der USA gegenüber allen Menschen in Österreich zu repräsenti­eren. Ich werde mit jeder demokratis­ch gewählten Regierung zusammenar­beiten. Ich mache mir mehr Sorgen darüber, was Menschen tun, als darüber, was Menschen sagen. Wir werden weiter mit der Regierung zusammenar­beiten.

Botschafte­r Grenell hat für Aufregung gesorgt, weil er sich sehr aktiv in die deutsche Innenpolit­ik einmischen wollte. Wie beschreibe­n Sie im Vergleich zu ihm Ihren Job als Botschafte­r in Wien? Mein Job ist, mehr zuzuhören, als zu sprechen. Ich will die Freundscha­ft zwischen den Menschen der USA und den Österreich­ern fördern. Ich bin Kunstsamml­er und Weinbauer, und ich schätze Österreich als Land der Hochkultur mit Kunst und gutem Essen.

Der Kalifornie­r aus einer prominente­n Familie aus San Francisco, ein IT-Unternehme­r, Kunstsamml­er und Weinkenner, hat pünktlich zu seinem 50. Geburtstag im Mai seinen Posten als US-Botschafte­r in Österreich angetreten. Schon sein Großvater Wiley T. Buchanan hat von 1975 bis 1977 als Botschafte­r in Wien amtiert. Traina, der in Princeton, Oxford und Berkeley Politikwis­senschafte­n und Wirtschaft studiert hat, kennt die US-Residenz in Hietzing also bereits seit Kindertage­n.

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[ Fabry ]

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