Verglaste Steine geben Rätsel auf
Eigenartige Bodenfunde in der Inn-Salzach-Region geben Anlass zu Spekulationen. Manche glauben an einen Meteoriteneinschlag. Forscher der Universität Salzburg wollen durch Analysen mithelfen, das Rätsel zu lösen.
Es sind seltsame Gesteinsbrocken, die aussehen, als wären sie mit einer dicken Glasschicht überzogen oder lackiert. Gefunden wurden die verglasten Steine in einem Gebiet östlich des Chiemsees zwischen München und Salzburg. Über eine Fläche von rund 60 Kilometern Länge und 30 Kilometern Breite gibt es rund 100 größere und kleinere Krater, einige davon mit den merkwürdigen Brocken im Boden. „Je genauer man hinschaut, desto mehr solcher Objekte findet man“, erzählt Andreas Neumair.
Der Münchner befasst sich für seine Dissertation, die er bei Fritz Finger, Professor für Geologie und Petrologie am Fachbereich Materialforschung der Universität Salzburg, schreibt, mit den eigenartigen Steinen. Seit rund zwei Jahrzehnten gibt es eine – nicht unumstrittene – Hypothese: Die Steine könnten die Überreste eines Meteoriteneinschlags im Bereich der Inn-Salzach-Region sein. Der sogenannte Chiemgau-Impact wird in der Fachwelt und unter Hobbyforschern intensiv diskutiert. Die einen sind überzeugt davon, andere lehnen diese Vermutung vehement ab.
„Wir wollen durch mineralogische und chemische Analysen herausfinden, ob die Hypothese vom Chiemgau-Impact stimmen kann“, erläutert Neumair. Er hat die Gebilde mit Rasterelektronenmikroskop, Röntgenfluoreszenzanalyse und Röntgendiffraktometrie untersucht. Sie bestehen aus Gesteinen, die beispielsweise an der Salzach üblich sind. Es hat sich aber auch gezeigt, dass sie chemische Verbindungen beinhalten, die auf der Erde sehr selten sind.
Entdeckt wurden etwa Cristobalit, eine Hochtemperatur-Modifikation von Siliciumdioxid. Clinound Orthopyroxene oder exotische Minerale wie Armalcolite, Harrisonite, Stanfieldite oder Whitlockite: Alles seltene Verbindungen, denen eines gemeinsam ist: Sie bilden sich erst bei Temperaturen von 1200 bis 1500 Grad Celsius. Die Glashülle enthält hohe Anteile von Siliciumdioxid oder Kalium – Elemente, die in dieser Menge nicht aus dem Stein stammen können.
„Der Grund für die hohe Hitzeeinwirkung, bei der diese Verbindungen entstehen, ist derzeit noch unbekannt“, erklärt Neumair. Ein Meteoriteneinschlag kommt theoretisch dafür in Frage. Auch die Krater würden zu dieser Vermutung passen. „Man hat lange geglaubt, dass vor den Römern keine Temperaturen von über 1000 Grad Celsius zustande gebracht wurden“, sagt Finger: „Doch das ist mittlerweile widerlegt.“So hat es Techniken gegeben, um mit Hitze Steinwälle mit einer Glasschicht zu überziehen und damit widerstandsfähige Befestigungsanlagen zu errichten. Auch die Kelten wussten, wie sie mit hohen Temperaturen arbeiten konnten. „Man kann damit auch eine anthropogene Ursache ins Auge fassen“, sagt Finger. Allerdings gibt es rund um die Fundstellen keinerlei Hinweise auf Holzöfen, Waldbrände oder Bombenexplosionen. „Nichts deutet auf die Anwesenheit von Menschen hin“, so Neumair. Theoretisch kommt auch ein Blitz als Wärmequelle in Frage.
In einem nächsten Schritt will der Geologe mit Thermolumineszenzdatierung herausfinden, wann die Hitze eingewirkt hat. Die Befürworter des Chiemgau-Impacts gehen davon aus, dass der Einschlag 1000 bis 500 Jahre vor Christus passiert sein könnte. Je nach Ergebnis würde ihre Hypothese zur Entstehung der merkwürdigen Brocken gestützt oder widerlegt. Es bleibt spannend. Die Hypothese des geht davon aus, dass in der Bronze- oder Keltenzeit ein Komet oder Asteroid in Südostbayern eingeschlagen und im Bereich des Chiemsees ein großes Kraterstreufeld hinterlassen hat. Geologen der Universität Salzburg wollen einen Beitrag zur Klärung der Frage leisten, ob es tatsächlich einen Meteoriteneinschlag gab.