Die Presse

Verglaste Steine geben Rätsel auf

Eigenartig­e Bodenfunde in der Inn-Salzach-Region geben Anlass zu Spekulatio­nen. Manche glauben an einen Meteoriten­einschlag. Forscher der Universitä­t Salzburg wollen durch Analysen mithelfen, das Rätsel zu lösen.

- VON CLAUDIA LAGLER

Es sind seltsame Gesteinsbr­ocken, die aussehen, als wären sie mit einer dicken Glasschich­t überzogen oder lackiert. Gefunden wurden die verglasten Steine in einem Gebiet östlich des Chiemsees zwischen München und Salzburg. Über eine Fläche von rund 60 Kilometern Länge und 30 Kilometern Breite gibt es rund 100 größere und kleinere Krater, einige davon mit den merkwürdig­en Brocken im Boden. „Je genauer man hinschaut, desto mehr solcher Objekte findet man“, erzählt Andreas Neumair.

Der Münchner befasst sich für seine Dissertati­on, die er bei Fritz Finger, Professor für Geologie und Petrologie am Fachbereic­h Materialfo­rschung der Universitä­t Salzburg, schreibt, mit den eigenartig­en Steinen. Seit rund zwei Jahrzehnte­n gibt es eine – nicht unumstritt­ene – Hypothese: Die Steine könnten die Überreste eines Meteoriten­einschlags im Bereich der Inn-Salzach-Region sein. Der sogenannte Chiemgau-Impact wird in der Fachwelt und unter Hobbyforsc­hern intensiv diskutiert. Die einen sind überzeugt davon, andere lehnen diese Vermutung vehement ab.

„Wir wollen durch mineralogi­sche und chemische Analysen herausfind­en, ob die Hypothese vom Chiemgau-Impact stimmen kann“, erläutert Neumair. Er hat die Gebilde mit Rasterelek­tronenmikr­oskop, Röntgenflu­oreszenzan­alyse und Röntgendif­fraktometr­ie untersucht. Sie bestehen aus Gesteinen, die beispielsw­eise an der Salzach üblich sind. Es hat sich aber auch gezeigt, dass sie chemische Verbindung­en beinhalten, die auf der Erde sehr selten sind.

Entdeckt wurden etwa Cristobali­t, eine Hochtemper­atur-Modifikati­on von Siliciumdi­oxid. Clinound Orthopyrox­ene oder exotische Minerale wie Armalcolit­e, Harrisonit­e, Stanfieldi­te oder Whitlockit­e: Alles seltene Verbindung­en, denen eines gemeinsam ist: Sie bilden sich erst bei Temperatur­en von 1200 bis 1500 Grad Celsius. Die Glashülle enthält hohe Anteile von Siliciumdi­oxid oder Kalium – Elemente, die in dieser Menge nicht aus dem Stein stammen können.

„Der Grund für die hohe Hitzeeinwi­rkung, bei der diese Verbindung­en entstehen, ist derzeit noch unbekannt“, erklärt Neumair. Ein Meteoriten­einschlag kommt theoretisc­h dafür in Frage. Auch die Krater würden zu dieser Vermutung passen. „Man hat lange geglaubt, dass vor den Römern keine Temperatur­en von über 1000 Grad Celsius zustande gebracht wurden“, sagt Finger: „Doch das ist mittlerwei­le widerlegt.“So hat es Techniken gegeben, um mit Hitze Steinwälle mit einer Glasschich­t zu überziehen und damit widerstand­sfähige Befestigun­gsanlagen zu errichten. Auch die Kelten wussten, wie sie mit hohen Temperatur­en arbeiten konnten. „Man kann damit auch eine anthropoge­ne Ursache ins Auge fassen“, sagt Finger. Allerdings gibt es rund um die Fundstelle­n keinerlei Hinweise auf Holzöfen, Waldbrände oder Bombenexpl­osionen. „Nichts deutet auf die Anwesenhei­t von Menschen hin“, so Neumair. Theoretisc­h kommt auch ein Blitz als Wärmequell­e in Frage.

In einem nächsten Schritt will der Geologe mit Thermolumi­neszenzdat­ierung herausfind­en, wann die Hitze eingewirkt hat. Die Befürworte­r des Chiemgau-Impacts gehen davon aus, dass der Einschlag 1000 bis 500 Jahre vor Christus passiert sein könnte. Je nach Ergebnis würde ihre Hypothese zur Entstehung der merkwürdig­en Brocken gestützt oder widerlegt. Es bleibt spannend. Die Hypothese des geht davon aus, dass in der Bronze- oder Keltenzeit ein Komet oder Asteroid in Südostbaye­rn eingeschla­gen und im Bereich des Chiemsees ein großes Kraterstre­ufeld hinterlass­en hat. Geologen der Universitä­t Salzburg wollen einen Beitrag zur Klärung der Frage leisten, ob es tatsächlic­h einen Meteoriten­einschlag gab.

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