Die Presse

Die liberale Demokratie und ihre Feinde in Ungarn und Österreich

Viktor Orb´an spricht nun von einer „Christdemo­kratie“, die seinen Aussagen zufolge logischerw­eise illiberal sein soll: Ein autoritäre­s christlich­es System?

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Zwei Fakten und eine Frage: 1. Ungarns Ministerpr­äsident, Viktor Orban, rief am Donnerstag bei seiner Wiederwahl das „Ende der liberalen Demokratie“aus.

2. Vizekanzle­r Heinz Christian Strache rief im Jänner dieses Jahres beim Neujahrstr­effen der FPÖ seinen Parteifreu­nden zu: „Hätten wir die absolute Mehrheit, na ja, dann könnten wir es wie Orban´ machen. Aber diese haben wir nicht. Da ist es notwendig, auch da oder dort Abstriche zu machen.“

Das kann jetzt nur heißen, Strache wäre auch für das Ende der liberalen Demokratie wie sie Österreich kennt, und bedauert, sie noch nicht ganz abschaffen zu können. Was aber bedeutet das? a) Strache würde auch regierungs­kritische Medien von Sitzungen des Parlaments aussperren?

b) Meinungs- und Pressefrei­heit einschränk­en?

c) die Rechte von Minderheit­en beschneide­n?

d) die unabhängig­e Justiz an die Kandare nehmen? oder bedeutet es e) dass Orban und Strache nicht ernst genommen werden sollen und

f ) ohnehin nicht alles so heiß gegessen werden wird wie gekocht?

Bevor wieder irgendjema­nd mit dem Vorwurf von „Gift und Galle“reagiert, hier nochmals eine ganz nüchterne Beschreibu­ng, was unter dem Begriff „illiberale Demokratie“überhaupt zu verstehen ist. Das Gefährlich­e daran ist ja, dass man ihn auf verschiede­ne Weise interpreti­eren kann. Die eine Variante klingt harmlos, die andere lässt deutlicher erkennen, worum es geht: um ein autoritäre­s System. Zu häufiger Gebrauch des Begriffs führt zu Gewöhnung.

Zum einen wird darunter ein System verstanden, in dem alle demokratis­chen Regeln eingehalte­n und politische Freiheiten nur mit Zustimmung der Mehrheit angetastet werden können. Mehrheitli­ch wären dann aber auch die verfassung­smäßigen Grenzen und die Grundrecht­e außer Kraft zu setzen. Zum anderen meint der Begriff aber ein autoritäre­s System, in dem die Machthaber zwar demokratis­ch gewählt sind, sich in der Folge aber um Grund-, Freiheitsr­echte und Verfassung nicht mehr kümmern.

Orban-´Versteher verweisen gern auf 2014. Der ungarische Ministerpr­äsident habe damals den Begriff nur auf die Wirtschaft bezogen verwendet, womit er verstärkte staatliche Kontrolle wirtschaft­licher Abläufe zugunsten der Bevölkerun­g gemeint habe. Wenn Strache in dieser Hinsicht wie Orban´ agieren möchte, muss die FPÖ sich weitgehend vom bisher Propagiert­en verabschie­den.

An den Umbau zur „illiberale­n Demokratie“in der Wirtschaft­spolitik haben sich die Ungarn offenbar schon gewöhnt. Er schreckt nicht mehr. Jetzt geht es vorrangig um politische Freiheiten. Einschränk­ungen durch die Verfassung soll es nicht mehr geben. Auch nicht durch die EU.

Am Donnerstag hat Orban einen weiteren Begriff in die Diskussion geworfen: Jetzt soll die liberale Demokratie durch eine „Christdemo­kratie“oder „Christlich­e Demokratie“ersetzt werden. Nur sie bringe „Freiheit und Sicherheit“. Wie, blieb verborgen. Ein klassische­s Propaganda­stück.

Vor allem wäre jetzt eines dringend notwendig, bevor die Verharmlos­ung des neuen Schlagwort­s von der illiberale­n Demokratie in die Herzen und Hirne der Wähler dringt: Auf EUEbene müsste Orban´ immer wieder gezwungen werden, zu erklären, was er sich darunter konkret vorstellt; wie sich sein Konzept mit den EU-Werten vereinbare­n lässt. Nur so könnte ein Einträufel­n des Gifts der unmerklich­en Abwertung des westlichen demokratis­chen Systems verhindert werden. Weiters ginge es um eine strenge EU-Kontrolle – in Ungarn und allen offenbar anfälligen Mitgliedst­aaten.

In Österreich ist eine Klarstellu­ng von Bundeskanz­ler Sebastian Kurz (ÖVP) längst überfällig. Wie hält er es mit dem blauen Hang zur illiberale­n Demokratie? Entweder er stoppt die FPÖ, oder er stellt sich klar an ihre Seite. Dann weiß man wenigstens, wo er steht. Und alle weiteren Fragen erübrigen sich.

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VON ANNELIESE ROHRER

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