Reform der Sozialhilfe auf schmalem Grat
Wir gehen auf Hartz IV zu, die Deutschen wenden sich gerade davon ab.
H ochinteressant: Während hierzulande gerade diskutiert wird, wie weit sich die anstehende Reform des Arbeitslosengeldes an das deutsche Hartz-IVModell annähern soll, diskutiert man beim Nachbarn gerade dessen Abschaffung.
Aber ist Hartz IV nicht ein Erfolgsmodell? Es hat unzweifelhaft positive Auswirkungen auf die Beschäftigung gehabt. Ein bisschen muss man das aber relativieren: Es gibt immer noch sechs Millionen „Hartzer“.
Zwei Drittel davon sind sogenannte Aufstocker. Das heißt, sie sind als Mini-Jobber etc. statistisch gesehen Teil des „Beschäftigungswunders“, können von diesem Wunder aber nicht leben. Ein nicht geringer Teil des Problems ist also nur in einen staatlich gestützten Billiglohnsektor ausgelagert worden.
Es ist ja generell eine schwierige Balance, Sozialmodelle so treffsicher hinzukriegen, dass sie denen, für die sie gedacht sind, ein anständiges Leben ermöglichen und gleichzeitig soziale Hängematten verhindern. D iese Gratwanderung steht uns bei der geplanten Änderung der Sozialhilfe noch bevor. Da muss man sich zuerst einmal fragen, ob die Anreizsysteme, aktiv Arbeit zu suchen, wirklich so gering sind oder ob nicht zuerst einmal das bestehende System (etwa in Sachen schwerer Vermittelbarkeit aus religiösen Gründen) ordentlich exekutiert werden sollte.
Und natürlich wird man sich dem Hauptproblem stellen müssen: der zu geringen Differenz zwischen Sozialhilfe und Arbeitseinkommen, die ja ein großes Problem bei forcierter Familienzusammenführung im Migrationsbereich wird. Denn wenn die Anzahl der Kinder beim Arbeitseinkommen keine Rolle spielt, bei der Mindestsicherung aber schon, dann bekommen wir hier im Niedriglohnsektor ein klassisches wirtschaftliches Anreizsystem, gering qualifizierte Arbeit nicht anzunehmen.
Das wird eine heikle Entscheidung. Aber: Den Verzicht auf eine vernünftige Deckelung der Mindestsicherung wird man nicht argumentieren können, wenn man gleichzeitig relativ rasch auf das Vermögen von unverschuldet in Langzeitarbeitslosigkeit Geschlitterten zugreifen will.