Onlinespiel: Bremst EuGH den Finanzminister?
Glücksspiel. Die Gesetzesnovelle, die strikte Sperren illegaler Internetanbieter vorsieht, wird derzeit umgeschrieben. Ein aktuelles Urteil der EU-Richter stellt die Dienstleistungsfreiheit über Beschränkungen und den Schutz des Monopolisten.
1,6 Milliarden Euro: So groß ist der heimische Glücksspielmarkt – und er wächst. Während allerdings die Bruttospielerträge (Einnahmen minus Gewinnauszahlungen) mit „klassischem“Glücksspiel im Casino oder mit Losen um drei bis vier Prozent wachsen, boomt das Zocken im Internet. Onlinespiele (inklusive Wetten) legten im Vorjahr um 25 Prozent auf 254 Millionen Euro zu. Davon hat der einzige legale Anbieter, die Casinos-Austria-Tochter Lotterien (Win2day), nicht viel. Denn 60 Prozent der Einnahmen kassieren nicht in Österreich lizensierte ausländische Anbieter.
Das will Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) unterbinden. Er plant eine massive Verschärfung des Vorgehens gegen die geschätzt 2000 illegalen, aus Österreich zugänglichen Anbieterportale. Solche Webseiten sollen (über IP Blocking) durch den Telekom-Regulator gesperrt werden. Außerdem will Löger Spielern die Möglichkeit geben, ihre Verluste 30 Jahre rückwirkend einzufordern.
So einfach dürfte Löger sein Ansinnen nicht durchsetzen können. Der Entwurf der Novelle zum Glücksspielgesetz wurde am 27. Februar zur Begutachtung ausgesendet, aber nur einen Tag später zurückgezogen. Ein „technisches Versehen“hieß es. Der Entwurf komme „in den nächsten Tagen“.
Gesetz wird wieder überarbeitet
Bis jetzt ist allerdings nichts geschehen. Weshalb mit der Materie befasste Experten mutmaßen, dass mehr dahintersteckt: Der Gesetzesentwurf dürfte grundlegend über- arbeitet werden müssen. Für diese Annahme gibt es einen triftigen Grund: ein aktuelles Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), das just am 28. Februar veröffentlicht worden ist. Laut dem Spruch der europäischen Höchstrichter, der für alle EU-Staaten richtungsweisend sein könnte, verstößt die ungarische Rechtsvorschrift, wonach die Veranstaltung von Onlinespielen an eine Konzession für terrestrische Casinos gebunden ist, der EU-Dienstleistungsfreiheit.
Das Finanzministerium gibt sich auf „Presse“-Anfrage zugeknöpft, räumt aber Arbeiten am Gesetz ein: „Der Entwurf wurde Anfang März aufgrund eines technischen Versehens zu früh verschickt und befindet sich in Bearbeitung. Einen Zusammenhang mit einem EuGH-Urteil gibt es nicht.“
Rechtsanwalt Benjamin Twardosz (Cerha Hempel Spiegelfeld Hlawati), der einige Online-Anbieter vertritt, sieht das anders. In Ungarn, wo die britische Gesellschaft Sporting Odds das Rechtsverfahren auslöste, sei die Berechtigung für Onlinespiele an eine Casino-Lizenz geknüpft. Hierzulande sei die Online-Konzession an die Lotterien gebunden. Die Sachlage sei durchaus vergleichbar.
Aber nicht nur deshalb: Der EuGH weist – wie schon in ähnlichen Fällen – darauf hin, dass Einschränkungen des Glücksspiels im Hinblick auf den Spielerschutz sowie Geldwäsche möglich und auf nationaler Ebene zu entscheiden seien. Dem gegenüber stünden jedoch wirtschaftliche Interessen: der – zu schützende – Monopolist betreibe selbst Werbung für Glücksspiel. Das wiederum widerspreche dem Spielerschutz. Es gehe um die „Verhältnismäßigkeit“der Maßnahmen.
Beschränkung muss gerechtfertigt sein
„Es ist aber offensichtlich, dass eine Einschränkung, die darauf hinausläuft, dass Betreibern von im Inland gelegenen Casinos der Zugang zum Markt für Online-Glücksspiele vorbehalten ist, über das hinausgeht, was als verhältnismäßig angesehen werden kann, sofern weniger restriktive Maßnahmen zur Erreichung der von der ungarischen Regierung angeführten Ziele zur Verfügung stehen“, heißt es im EuGH-Urteil. Und: Der Artikel 56 EU-Vertrag (Dienstleistungsfreiheit) stehe daher im Gegensatz zur konkreten nationalen Regelung.
In Österreich unterliegen zwar im Unterschied zu vielen Ländern Sportwetten nicht dem Glücksspielregime, viele Online-Anbieter bieten aber auch Glücksspiele wie Roulette und Poker an. Diese Firmen (etwa Betat-home oder Mr. Green) verfügen über EULizenzen von Gibraltar oder Malta und pochen auf die Dienstleistungsfreiheit. Sie laufen gegen die Pläne von Löger Sturm, zumal sie auch Steuern zahlen. Sie fordern ein System mit mehreren Onlinelizenzen. „Aufgrund der Staatsbeteiligung an der Casinos Austria ist die Optik dieser Maßnahmen, mit denen gegen die Konkurrenz vorgegangen wird, besonders schief“, kritisiert der für die alternativen Anbieter tätige Rechtsanwalt Twardosz. Man werde die Vorgangsweise des Ministeriums daher genau beobachten.