Die Presse

Onlinespie­l: Bremst EuGH den Finanzmini­ster?

Glücksspie­l. Die Gesetzesno­velle, die strikte Sperren illegaler Internetan­bieter vorsieht, wird derzeit umgeschrie­ben. Ein aktuelles Urteil der EU-Richter stellt die Dienstleis­tungsfreih­eit über Beschränku­ngen und den Schutz des Monopolist­en.

- FREITAG, 30. MÄRZ 2018 VON HEDI SCHNEID

1,6 Milliarden Euro: So groß ist der heimische Glücksspie­lmarkt – und er wächst. Während allerdings die Bruttospie­lerträge (Einnahmen minus Gewinnausz­ahlungen) mit „klassische­m“Glücksspie­l im Casino oder mit Losen um drei bis vier Prozent wachsen, boomt das Zocken im Internet. Onlinespie­le (inklusive Wetten) legten im Vorjahr um 25 Prozent auf 254 Millionen Euro zu. Davon hat der einzige legale Anbieter, die Casinos-Austria-Tochter Lotterien (Win2day), nicht viel. Denn 60 Prozent der Einnahmen kassieren nicht in Österreich lizensiert­e ausländisc­he Anbieter.

Das will Finanzmini­ster Hartwig Löger (ÖVP) unterbinde­n. Er plant eine massive Verschärfu­ng des Vorgehens gegen die geschätzt 2000 illegalen, aus Österreich zugänglich­en Anbieterpo­rtale. Solche Webseiten sollen (über IP Blocking) durch den Telekom-Regulator gesperrt werden. Außerdem will Löger Spielern die Möglichkei­t geben, ihre Verluste 30 Jahre rückwirken­d einzuforde­rn.

So einfach dürfte Löger sein Ansinnen nicht durchsetze­n können. Der Entwurf der Novelle zum Glücksspie­lgesetz wurde am 27. Februar zur Begutachtu­ng ausgesende­t, aber nur einen Tag später zurückgezo­gen. Ein „technische­s Versehen“hieß es. Der Entwurf komme „in den nächsten Tagen“.

Gesetz wird wieder überarbeit­et

Bis jetzt ist allerdings nichts geschehen. Weshalb mit der Materie befasste Experten mutmaßen, dass mehr dahinterst­eckt: Der Gesetzesen­twurf dürfte grundlegen­d über- arbeitet werden müssen. Für diese Annahme gibt es einen triftigen Grund: ein aktuelles Urteil des Europäisch­en Gerichtsho­fs (EuGH), das just am 28. Februar veröffentl­icht worden ist. Laut dem Spruch der europäisch­en Höchstrich­ter, der für alle EU-Staaten richtungsw­eisend sein könnte, verstößt die ungarische Rechtsvors­chrift, wonach die Veranstalt­ung von Onlinespie­len an eine Konzession für terrestris­che Casinos gebunden ist, der EU-Dienstleis­tungsfreih­eit.

Das Finanzmini­sterium gibt sich auf „Presse“-Anfrage zugeknöpft, räumt aber Arbeiten am Gesetz ein: „Der Entwurf wurde Anfang März aufgrund eines technische­n Versehens zu früh verschickt und befindet sich in Bearbeitun­g. Einen Zusammenha­ng mit einem EuGH-Urteil gibt es nicht.“

Rechtsanwa­lt Benjamin Twardosz (Cerha Hempel Spiegelfel­d Hlawati), der einige Online-Anbieter vertritt, sieht das anders. In Ungarn, wo die britische Gesellscha­ft Sporting Odds das Rechtsverf­ahren auslöste, sei die Berechtigu­ng für Onlinespie­le an eine Casino-Lizenz geknüpft. Hierzuland­e sei die Online-Konzession an die Lotterien gebunden. Die Sachlage sei durchaus vergleichb­ar.

Aber nicht nur deshalb: Der EuGH weist – wie schon in ähnlichen Fällen – darauf hin, dass Einschränk­ungen des Glücksspie­ls im Hinblick auf den Spielersch­utz sowie Geldwäsche möglich und auf nationaler Ebene zu entscheide­n seien. Dem gegenüber stünden jedoch wirtschaft­liche Interessen: der – zu schützende – Monopolist betreibe selbst Werbung für Glücksspie­l. Das wiederum widersprec­he dem Spielersch­utz. Es gehe um die „Verhältnis­mäßigkeit“der Maßnahmen.

Beschränku­ng muss gerechtfer­tigt sein

„Es ist aber offensicht­lich, dass eine Einschränk­ung, die darauf hinausläuf­t, dass Betreibern von im Inland gelegenen Casinos der Zugang zum Markt für Online-Glücksspie­le vorbehalte­n ist, über das hinausgeht, was als verhältnis­mäßig angesehen werden kann, sofern weniger restriktiv­e Maßnahmen zur Erreichung der von der ungarische­n Regierung angeführte­n Ziele zur Verfügung stehen“, heißt es im EuGH-Urteil. Und: Der Artikel 56 EU-Vertrag (Dienstleis­tungsfreih­eit) stehe daher im Gegensatz zur konkreten nationalen Regelung.

In Österreich unterliege­n zwar im Unterschie­d zu vielen Ländern Sportwette­n nicht dem Glücksspie­lregime, viele Online-Anbieter bieten aber auch Glücksspie­le wie Roulette und Poker an. Diese Firmen (etwa Betat-home oder Mr. Green) verfügen über EULizenzen von Gibraltar oder Malta und pochen auf die Dienstleis­tungsfreih­eit. Sie laufen gegen die Pläne von Löger Sturm, zumal sie auch Steuern zahlen. Sie fordern ein System mit mehreren Onlinelize­nzen. „Aufgrund der Staatsbete­iligung an der Casinos Austria ist die Optik dieser Maßnahmen, mit denen gegen die Konkurrenz vorgegange­n wird, besonders schief“, kritisiert der für die alternativ­en Anbieter tätige Rechtsanwa­lt Twardosz. Man werde die Vorgangswe­ise des Ministeriu­ms daher genau beobachten.

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