Junge Stemmerin
Gewichtheben. Junioren-Weltmeisterin Sarah Fischer stemmt mit 17 mehrere Tonnen pro Tag und greift bei der EM nach einer Medaille. Der eigene Vater ist Trainer und noch größter Sponsor.
Die 17-jährige Sarah Fischer greift bei der GewichtheberEM nach einer Medaille.
Die stärkste Frau Österreichs ist Sarah Fischer schon seit April 2013. Ein Jahr später, im Alter von 13 Jahren, sicherte sie sich erstmals Staatsmeistertitel im Gewichtheben. 249 nationale Rekorde säumen die Karriere der Athletin aus dem niederösterreichischen Rohrendorf, die im Vorjahr ihren vorläufigen Höhepunkt erreichte: In Thailand krönte sie sich zur U17-Weltmeisterin im Reißen. Am Samstag (15 Uhr, live Eurosport) tritt sie bei der EM in Bukarest nun erstmals im Erwachsenbereich gegen Europas Beste an.
Die Top fünf hat Vater und Trainer Ewald Fischer, selbst 13-facher Staatsmeister, als Ziel ausgegeben. „Eine Medaille wäre super, aber wenn es keine wird, bin ich nicht enttäuscht“, sagt Sarah Fischer. Schließlich ist sie mit 17 die Jüngste in ihrer Klasse bis 90 kg. Wie groß die Ambitionen sind, zeigt ein Blick auf die Nennliste: 230 kg hat Trainer Fischer für seine Tochter angegeben, die damit auf Rang zwei geführt wird. Das ist mehr als das Zweieinhalbfache ihres Körpergewichts von 84 kg und um zehn mehr als ihre bisherige Bestmarke (99 kg im Reißen, 121 kg im Stoßen). Ein hoher Poker, wie Fischer senior gesteht: „Wir wollten der Konkurrenz zeigen, dass wir vorbereitet sind und nicht auf der Nudelsuppe daherschwimmen.“
Familiensache
Sarah Fischer ist durch ihren Vater quasi in Sporthallen aufgewachsen, der Griff zur Hantel war für sie logisch. „Ich habe angefangen, weil ich immer dabei war“, erzählt sie im Gespräch mit der „Presse“. Mehrere Jahre spielte sie auch Handball, „aber ich wollte meinen Erfolg nicht von anderen abhängig machen“. So trainiert sie nun vier bis fünf Stunden, verteilt auf zwei Einheiten pro Tag, stemmt dabei insgesamt zehn bis zwölf Tonnen für das große Ziel: die Olympischen Spiele 2020 in Tokio.
Im Gegensatz zu vielen Ländern der Ex-Sowjetunion sind Gewichtheber in Österreich eine seltene Spezies, Frauen erst recht. „Es gibt genug Leute, die sagen, das ist doch ein Männersport. Aber würde mich das stören, hätte ich schon längst aufgehört.“Zwölf internationale Medaillen allein im vergangenen Jahr bestätigen sie auf ihrem Weg. Nebenbei absolviert die 17-Jährige die Handelsschule für Leistungssportler in St. Pölten, Fehlzeiten summieren sich. „Zuletzt war ich vor etwa vier Wochen in der Schule“, sagt sie. Mit Lernpaketen und Förderkursen holt sie den verpassten Stoff nach, im Juni 2019 wird sie abschließen.
Auch Sarahs Bruder David, 19, ist Teil des Erfolgsteams. 2015 gewann er Bronze bei der U17-EM und damit die erste Medaille seit Matthias Steiner, der nach Streit mit dem Verband 2008 Olympiagold für Deutschland holte. Bei den Titelkämpfen in Bukarest muss David Fischer wegen einer Rückenverletzung passen, verstärkt mit Mama, Oma und Opa den Fanklub der kleinen Schwester.
Die zwei leidigen Themen
Das Image von Gewichtheben leidet unter Doping, erst vergangenen Oktober hat der Weltverband aufgrund von Nachtests neun Nationen gesperrt. Auch Sarah Fischer ist die Problematik bewusst. Im Training muss sie im Schnitt alle drei Wochen zum Dopingtest, das ist aber nicht bei allen Kolleginnen der Fall, wie sie aus Ge- sprächen weiß. Zu viele Gedanken und Energie möchte sie auf das Thema jedoch nicht verwenden. „Ich konzentriere mich auf mich.“
Möglich macht das die Unterstützung der Eltern. 40.000 Euro pro Jahr investieren sie aus eigener Tasche in die Karrieren der Kinder. „Ein WM-Titel lässt sich mit Geld nicht aufwiegen“, meint Vater Ewald, ein ÖBB-Lokführer. Der Verband habe aus den Fehlern im Fall Steiner gelernt, unterstütze nach Kräften, aber sei finanziell limitiert. Abhilfe soll das Bundesheer schaffen, dem Sarah Fischer nach der Schule beitreten wird. Ob unter solchen Umständen eine Olympiamedaille überhaupt zu erreichen ist? „Die Bedingungen müssen mit den Athleten mitwachsen“, hofft der Trainer. Bei der EM hat Sarah Fischer die Chance, weiter vorzulegen.