Bunter Anzug in Gefahr
Gericht. Nicht nur Richter, auch Anwälte vor Höchst-, Geschworenen- und Schöffengerichten sollen Talar tragen. Anlass für die Empfehlung ist Michael Dohr, Anwalt im Buwog-Prozess.
Anwaltskammer und Strafverteidiger empfehlen die Rückkehr zum Talar.
Wien. „Die Richter haben bei allen Verhandlungen vor dem erkennenden Gericht das Amtskleid zu tragen. Sie haben zur Urteilsverkündung und zur Eidesabnahme das Haupt mit dem Barett zu bedecken.“So steht es in der betreffenden Amtskleid-Verordnung. Auch Staatsanwälte müssen im Gerichtssaal einen schwarzen Talar tragen (bei den Richtern hat der Talar violette Reversteile, bei den Staatsanwälten rote). Und die Anwälte? Auch sie können Talar tragen. Der eine oder andere tut das auch. Selten, aber doch.
Nun empfiehlt der Präsidentenrat der Anwaltskammern allen Rechtsanwälten, dass vor Höchstgerichten, Geschworenengerichten und Schöffengerichten Talar getragen werden sollte. Und die Vereinigung der Strafverteidiger schließt sich dieser Empfehlung umgehend an.
Warum gerade jetzt? Gibt es garderobentechnische Probleme? Nun ja, Probleme nicht direkt, aber da wäre der derzeit laufende, viel beachtete Buwog-Prozess – dieser findet wohlgemerkt vor einem Schöffengericht statt. Dort sticht seit Monaten der Anwalt Michael Dohr hervor. Er trägt Haute Couture. Und das sehr individuell.
Der modebewusste Advokat, Verteidiger eines der 15 BuwogAngeklagten, hat nach eigenem Bekunden gut 50 Anzüge. Diese sind nicht unbedingt dezent. Aber auch keine Massenware. Dank Dohr sind Toplabels wie Moschino, Enrico Coveri, Dolce & Gabbana, Vivienne Westwood etc. im altehrwürdigen Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Straflandesgerichts vertreten. Da wird – vor den staunenden Augen des ebenfalls modisch (aber nicht so!) gekleideten Hauptangeklagten KarlHeinz Grasser – schon einmal ein pinkfarbener Dreiteiler mit rotblau-grünem Spielwürfelmuster zur Schau gestellt. Oder ein Anzug über und über bedruckt mit farbenfrohen Geldscheinfotos. Oder ein Sakko, samt Gilet und Krawatte in verruchtem Leopardendesign.
Dohr will nicht
Insofern darf die Empfehlung der anwaltlichen Standesvertreter (auch) als Lex Dohr bezeichnet werden. Dass Grasser-Anwalt Manfred Ainedter auch Präsident der Strafverteidiger-Vereinigung ist, darf an dieser Stelle erwähnt werden. Der „Presse“erklärt Ai- nedter: „Wir Anwälte sollten Talare tragen, um der Würde des Gerichts und des Standes gerecht zu werden.“Nachsatz: „Es gibt ja auch Leihtalare.“
Wie ist das bei Richter und Staatsanwälten? Sie müssen ihr Amtskleid, wie es heißt, weder kaufen noch ausborgen – ihnen ist ebendieses „aus Bundesmitteln beizustellen“, wie es im Dienstgesetz heißt. Freilich geht es bei der Empfehlung an die Advokatur nicht nur darum, dass Anwalt Dohr einen Hauch von Fashion Week in die Gerichtssäle zaubert – es geht auch um jene (wenigen) Strafverteidiger, die im Gerichtssaal sogar auf eine Krawatte verzichten.
Bleibt die Frage, ob bei der Fortsetzung des Buwog-Prozesses (4. April) erstmals alle Rechtsvertreter im Talar erscheinen? Eher nicht. Die Lex Dohr wird vermutlich nicht greifen. „Wenn jemand Anzug und Krawatte trägt, ist das wohl keine Standeswidrigkeit“, sagt Dohr der „Presse“. Weiter: „Ich lasse mir meine Individualität nicht nehmen.“
Das letzte Wort dürfte aber noch nicht gesprochen sein. Liest man die entsprechende, noch heute gültige Bestimmung des Justiz- ministeriums vom 17. Juni 1904, so wird darin „aufgrund Allerhöchster Ermächtigung“verordnet, dass auch Anwälte sich „eines Amtskleides bedienen“können. Dieses solle ein schwarzer Talar sein und damit ein Gewand „aus leichtem Schafwollstoff, faltenreich, vorn schließbar“. Mit schwarzem Revers. „Die Oberärmel sind mit einem 15 cm breiten und 35 cm langen schwarzen Streifen aus gerippter Seide besetzt.“Mehr noch: „Zum Amtskleide werden eine Halsbinde aus schwarzem glänzenden Seidenstoffe in Maschenform mit rechtwinkeligen Enden und ein weißes Hemd getragen.“
Barett aus Wollstoff
Verlockend auch das: So wie der Richter bei der Urteilsverkündung das sprichwörtliche „Kappl“aufsetzt – kann dies laut dieser Verordnung auch der Verteidiger tun. „Das Barett [. . .] besteht aus einem rund geschnittenen und leicht gefalteten Kopfteile von schwarzem Wollstoff [. . .] mit einem [. . .] hohen steifen aus Talarstoff verfertigten Rande [. . .].“
Haute Couture im besten Sinn also. Wen würde es wundern, wenn gerade Michael Dohr noch auf den Geschmack käme?