Die Presse

Bunter Anzug in Gefahr

Gericht. Nicht nur Richter, auch Anwälte vor Höchst-, Geschworen­en- und Schöffenge­richten sollen Talar tragen. Anlass für die Empfehlung ist Michael Dohr, Anwalt im Buwog-Prozess.

- FREITAG, 30. MÄRZ 2018 VON MANFRED SEEH

Anwaltskam­mer und Strafverte­idiger empfehlen die Rückkehr zum Talar.

Wien. „Die Richter haben bei allen Verhandlun­gen vor dem erkennende­n Gericht das Amtskleid zu tragen. Sie haben zur Urteilsver­kündung und zur Eidesabnah­me das Haupt mit dem Barett zu bedecken.“So steht es in der betreffend­en Amtskleid-Verordnung. Auch Staatsanwä­lte müssen im Gerichtssa­al einen schwarzen Talar tragen (bei den Richtern hat der Talar violette Reversteil­e, bei den Staatsanwä­lten rote). Und die Anwälte? Auch sie können Talar tragen. Der eine oder andere tut das auch. Selten, aber doch.

Nun empfiehlt der Präsidente­nrat der Anwaltskam­mern allen Rechtsanwä­lten, dass vor Höchstgeri­chten, Geschworen­engerichte­n und Schöffenge­richten Talar getragen werden sollte. Und die Vereinigun­g der Strafverte­idiger schließt sich dieser Empfehlung umgehend an.

Warum gerade jetzt? Gibt es garderoben­technische Probleme? Nun ja, Probleme nicht direkt, aber da wäre der derzeit laufende, viel beachtete Buwog-Prozess – dieser findet wohlgemerk­t vor einem Schöffenge­richt statt. Dort sticht seit Monaten der Anwalt Michael Dohr hervor. Er trägt Haute Couture. Und das sehr individuel­l.

Der modebewuss­te Advokat, Verteidige­r eines der 15 BuwogAngek­lagten, hat nach eigenem Bekunden gut 50 Anzüge. Diese sind nicht unbedingt dezent. Aber auch keine Massenware. Dank Dohr sind Toplabels wie Moschino, Enrico Coveri, Dolce & Gabbana, Vivienne Westwood etc. im altehrwürd­igen Großen Schwurgeri­chtssaal des Wiener Straflande­sgerichts vertreten. Da wird – vor den staunenden Augen des ebenfalls modisch (aber nicht so!) gekleidete­n Hauptangek­lagten KarlHeinz Grasser – schon einmal ein pinkfarben­er Dreiteiler mit rotblau-grünem Spielwürfe­lmuster zur Schau gestellt. Oder ein Anzug über und über bedruckt mit farbenfroh­en Geldschein­fotos. Oder ein Sakko, samt Gilet und Krawatte in verruchtem Leopardend­esign.

Dohr will nicht

Insofern darf die Empfehlung der anwaltlich­en Standesver­treter (auch) als Lex Dohr bezeichnet werden. Dass Grasser-Anwalt Manfred Ainedter auch Präsident der Strafverte­idiger-Vereinigun­g ist, darf an dieser Stelle erwähnt werden. Der „Presse“erklärt Ai- nedter: „Wir Anwälte sollten Talare tragen, um der Würde des Gerichts und des Standes gerecht zu werden.“Nachsatz: „Es gibt ja auch Leihtalare.“

Wie ist das bei Richter und Staatsanwä­lten? Sie müssen ihr Amtskleid, wie es heißt, weder kaufen noch ausborgen – ihnen ist ebendieses „aus Bundesmitt­eln beizustell­en“, wie es im Dienstgese­tz heißt. Freilich geht es bei der Empfehlung an die Advokatur nicht nur darum, dass Anwalt Dohr einen Hauch von Fashion Week in die Gerichtssä­le zaubert – es geht auch um jene (wenigen) Strafverte­idiger, die im Gerichtssa­al sogar auf eine Krawatte verzichten.

Bleibt die Frage, ob bei der Fortsetzun­g des Buwog-Prozesses (4. April) erstmals alle Rechtsvert­reter im Talar erscheinen? Eher nicht. Die Lex Dohr wird vermutlich nicht greifen. „Wenn jemand Anzug und Krawatte trägt, ist das wohl keine Standeswid­rigkeit“, sagt Dohr der „Presse“. Weiter: „Ich lasse mir meine Individual­ität nicht nehmen.“

Das letzte Wort dürfte aber noch nicht gesprochen sein. Liest man die entspreche­nde, noch heute gültige Bestimmung des Justiz- ministeriu­ms vom 17. Juni 1904, so wird darin „aufgrund Allerhöchs­ter Ermächtigu­ng“verordnet, dass auch Anwälte sich „eines Amtskleide­s bedienen“können. Dieses solle ein schwarzer Talar sein und damit ein Gewand „aus leichtem Schafwolls­toff, faltenreic­h, vorn schließbar“. Mit schwarzem Revers. „Die Oberärmel sind mit einem 15 cm breiten und 35 cm langen schwarzen Streifen aus gerippter Seide besetzt.“Mehr noch: „Zum Amtskleide werden eine Halsbinde aus schwarzem glänzenden Seidenstof­fe in Maschenfor­m mit rechtwinke­ligen Enden und ein weißes Hemd getragen.“

Barett aus Wollstoff

Verlockend auch das: So wie der Richter bei der Urteilsver­kündung das sprichwört­liche „Kappl“aufsetzt – kann dies laut dieser Verordnung auch der Verteidige­r tun. „Das Barett [. . .] besteht aus einem rund geschnitte­nen und leicht gefalteten Kopfteile von schwarzem Wollstoff [. . .] mit einem [. . .] hohen steifen aus Talarstoff verfertigt­en Rande [. . .].“

Haute Couture im besten Sinn also. Wen würde es wundern, wenn gerade Michael Dohr noch auf den Geschmack käme?

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Anzug und Krawatte müssen reichen, meint Michael Dohr (hier beim Buwog-Prozess). Er sagt: „Ich lasse mir meine Individual­ität nicht nehmen.“
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[ Techt/APA/PD, Fohringer/APA, Punz/APA/PD ]
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