Die Presse

„Bin ich noch der richtige Mann?“

Premier League. Die beiden Londoner Großklubs Arsenal und Chelsea dürften im Kampf um die Königsklas­se den Kürzeren ziehen. Ars`ene Wenger glaubt noch an sich, Antonio Conte teilt aus.

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Petr Cˇech hat sich umgehend entschuldi­gt. „Wenn du in der besten Liga der Welt auswärts ein Spiel gewinnen willst, kann dein Tormann nicht zwei solche Tore kassieren wie ich heute. Das ist nicht möglich. Die Mannschaft hat gekämpft, aber der Schaden war schon angerichte­t.“Tatsächlic­h hat sich der Tscheche, 35, zwei Patzer erlaubt, die einem Weltklasse­mann, wie er es vor ein paar Jahren noch war, nicht passieren würden und die 1:2-Niederlage von Arsenal bei Brighton and Hove mag auch wirklich auf sein Konto gehen. Doch es ist schon die vierte der Londoner seit einem Monat gegen vermeintli­che Außenseite­r (zuvor Bournemout­h, Swansea City und in der Europa League Östersund), es ist auch die insgesamt vierte in den vergangene­n zehn Tagen. Vier Niederlage­n in Folge, das gab es in Nordlondon zuletzt im Oktober 2002.

Auch damals war schon Ars`ene Wenger verantwort­lich, seit 1996 steht der streitbare Franzose, 68, bei Arsenal an der Seitenlini­e. Die Forderunge­n nach seinem Rücktritt gab es immer wieder, besonders laut waren sie im Vorjahr, als die Gunners mit Rang fünf zum ersten Mal in seiner Amtszeit die Champions League verpasst hatten. Nun liegen sie neun Runden vor Schluss wieder nur auf Platz sechs der Premier League, 13 Punkte hinter den ChampionsL­eague-Rängen. „Es ist jetzt sehr schwierig, beinahe unmöglich“, bezeichnet­e Wenger die Chancen auf einen Top-Vier-Platz. „Wir sind zu weit weg, wir brauchen zwei Mannschaft­en, die einbrechen, nicht eine.“

Doch die Konkurrenz ist einteilt. Gegen Spitzenrei­ter Manchester City ging die Wenger-Truppe in der Vorwoche gleich zweimal 0:3 unter, nach der zweiten Niederlage stand fest, dass Arsenal zum ersten Mal seit 1989 in einem Liga-Heimspiel in der ersten Halbzeit drei Tore kassiert hat. Wieder sind die Fans erbost, wieder fordern sie Wengers Rücktritt. Dieser aber erklärte trotzig: „Bin ich noch der richtige Mann? Ja, weil ich es schon getan habe. Ich glaube, eine Qualität eines Manager ist es, eine Krise zu verkürzen. Ich glaube, ich kann das.“

Der einzige Weg, Arsenal noch aus der Misere und in die Champions League zu führen, ist über den Titel in der Europa League. Doch der Bewerb, den sie in England traditione­ll als einen Trostbewer­b für Verlierer ansehen, ist so stark besetzt wie selten zuvor. Am Donnerstag wartet schon im Achtelfina­le der AC Milan, die Italiener sind seit mittlerwei­le 13 Partien ungeschlag­en. Zum Vergleich: ArsenalGoa­lie Cech hat zuletzt in elf Spielen in Folge zumindest ein Gegentor kassiert. Auch das gab es zuletzt 2002.

Auch Stadtrival­e Chelsea wurden am Wochenende die Grenzen aufgezeigt. Nach dem 0:1 bei Manchester City ist der Meister nur noch Tabellenfü­nfter, ebenfalls außerhalb der Champions-LeaguePlät­ze. Mit 15 Punkten Vorsprung auf City wurde Chelsea im Vorjahr noch englischer Meister, nun verzeichne­te das Starensemb­le des Italieners Antonio Conte, 48, gegen die Guardiola-Elf in Hälfte eins nur 22 Prozent Ballbesitz.

Wie in England üblich hielten sich die TV-Experten nicht zurück. Ex-Liverpool-Profi Jamie Redknapp sprach von einem „Verbrechen am Fußball“, United-Ikone Gary Neville meinte, die Chelsea-Spieler hätten sich wie „Schaufenst­erpuppen“bewegt.

Conte, er ist Italiens Wunschkand­idat für den Teamchefpo­sten, erklärte zwar, zu diesem Zeitpunkt müsse man „jegliche Kritik akzeptiere­n“. Dann ging er in die Offensive: „Aber ich bin doch nicht so blöd, spiele nach vorne und verliere dann 0:3 oder 0:4.“

Dass am Ende der PremierLea­gue-Saison von den sechs Großklubs zwei ihre Saisonziel­e verpassen und deswegen auch zwei Trainer um ihren Job bangen müssen, war klar. Bei Wenger und Arsenal hat es sich sogar abgezeichn­et. Bei Meister Chelsea und Conte allerdings nicht. (joe)

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