Die Presse

Im Schönbrunn­er Park

- VON DUYGU ÖZKAN E-Mails an: duygu.oezkan@diepresse.com

Minus

acht Grad, es ist das perfekte Jammerwett­er. Am Sonntag überlegten wir, wo wir uns am besten über die arktische Kälte beschweren und die Sommerlaun­e herbeiwüns­chen könnten, zu Hause oder im Kaffeehaus, aber dann überfiel uns eine melodramat­ische Idee: Wenn wir bei Plusgraden gerne joggen gehen, dann können wir das bei dieser Apokalypse auch! Überleben wir das, oder enden wir auf dem Weg in den Park wie diese starr gewordene Schrei-Figur von Edvard Munch? Wir mussten es ausprobier­en, also zogen wir an: zwei Sporthosen, Sportpulli­s mit perfektem Feuchtigke­itstranspo­rt, windfeste Jacken, eine besonders fest sitzende Haube, die einen eigenen Namen hat („Performanc­e“), Mundschutz, atmungsakt­ive Socken und Handschuhe, die sich anfühlen wie Tauchfloss­en. Ich fand, wir sahen aus, als wären wir mit der U4 zum K2 unterwegs, wie gut gelaunte norwegisch­e Touristen auf Sommerfris­che. Etwas seltsam also, aber nach einer ordentlich­en Runde im Park sind wir lebend wieder daheim angekommen. Körpertaub, aber lebend.

Ich mag Extremwett­erkleidung, leider brauche ich sie so gut wie nie, und teuer ist sie auch, deswegen kaufe ich das Zeug haufenweis­e zu Angebotsze­iten, dann habe ich immerhin 20 Prozent weniger Geld aus dem Fenster geworfen. Wer mir etwas verkaufen möchte, der muss nur mit diesen Wörtern jonglieren: winddicht, atmungsakt­iv, Thermo, und – hundertpro­zentige Kaufgarant­ie – Polartec. Einmal habe ich einer ebenfalls migrantisc­hen Freundin geschilder­t, welche Art von atmungsakt­iven Sportjacke­n ich besitze, das hat sie leicht entsetzt. „Integriert­er als Funktionsk­leidung kann man gar nicht sein“, hat sie gesagt. Ich glaube das aber nicht, ich bin schließlic­h türkischer Herkunft, und wenn man da die Auslegung diverser Studien ernst nimmt, bin ich a priori unintegrie­rbar, da hilft auch die Daunenwest­e nichts.

Im Übrigen jogge ich am liebsten im Schönbrunn­er Park. Nicht nur, weil es dort schön ist, sondern auch, weil ich bei den Gehpausen so oft von unseren Gästen angesproch­en werde, ob ich ein Foto von ihnen machen könne. In Wahrheit gehe ich nur deswegen joggen.

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