Richtiger Mix aus Aktien und Anleihen
Bonds. Eine alte Regel lautet: Spielen die Aktienmärkte verrückt, kauft man eben Staatsanleihen. Damit ist nun Schluss, und so lässt das größte Zentralbankexperiment aller Zeiten viele Anleger ratlos zurück.
Eine alte Regel lautet: Spielen die Aktienmärkte verrückt, kauft man Staatsanleihen. Sie gilt nicht mehr.
In unsicheren Zeiten ist es schön, wenn man sich auf gewisse Dinge verlassen kann. Ein Mix aus Aktien und Staatsanleihen etwa sei immer eine gute Idee, damit sei man stets auf der sicheren Seite, sagen viele Bankberater. Fallen Aktienkurse, steigen jene von Staatsanleihen, so die alte Grundregel, weshalb Besitzer eines Mischfonds ein Kursgemetzel an den Börsen schon mal mit einem kleinen blauen Auge überstehen können.
Nun mag es schon in der Vergangenheit ausreichend Gründe gegen eine solche Empfehlung gegeben haben. Etwa die oftmals hohen Kosten derartiger Bankfonds oder verpasste Gewinne am Aktienmarkt wegen eines verhältnismäßig hohen Anteils an Anleihen. Eines stimmt aber: In Krisenzeiten stiegen sichere Staatsanleihen an, weil verunsicherte Investoren ihr Kapital eben in Richtung von Staatsemittenten mit bester Bonität umschichten.
Renditen fallen, Kurse steigen
Das war während des Platzens der Dotcom-Blase 2001 ebenso zu beobachten wie während der Finanzkrise 2008. Die Rendite für zehnjährige US-Treasuries stand beispielsweise im Oktober 2007 bei 4,6 Prozent. Dann begaben sich die Aktienmärkte auf Talfahrt und die Rendite für die weltweit wichtigste Staatsanleihe fiel bis Ende 2008 auf knapp zwei Prozent. Ein ähnliches Bild zeigte sich bei deutschen Staatspapieren. Die Rendite für zehnjährige Anleihen – der bedeutendste Schuldtitel in Europa – fiel während der Krise von 4,3 Prozent auf drei Prozent. (Inzwischen sind es 0,79 Prozent.)
Wenn die Renditen von Staatsanleihen fallen, steigen die Kurse. Die verstärkte Nachfrage in Krisenzeiten ermöglicht es den Emitten- ten, sich zu einem niedrigeren Zinssatz zu verschulden, weshalb bereits ausgegebene Papiere mit einem höheren fixen Zinssatz attraktiver werden. Oder umgekehrt, und damit sind wir in der Gegenwart: Erwarten Anleger steigende Zinsen, fallen die Kurse bereits ausgegebener Staatsanleihen.
Das ist alles furchtbar kompliziert, weshalb der Anleihemarkt neben dem Währungsmarkt nicht zu unrecht als die Königsdisziplin unter den Marktteilnehmern gilt. Umso schöner, dass man vereinfacht zumeist sagen konnte: In Krisenzeiten, wenn die Aktienkurse abstürzen, konnte man sich auf US-Treasuries und deutsche Bundesanleihen verlassen. Blöd nur, dass es damit für geraume Zeit ziemlich sicher vorbei ist.
Einen Vorgeschmack darauf gab es in den vergangenen Wochen, als die wichtigsten Aktienindizes zwischenzeitlich um mehr als zehn Prozent absackten. Unbeeindruckt davon stieg die Rendite für zehnjährige US-Papiere weiter an, mittlerweile kratzt sie an der psychologisch so wichtigen Marke von drei Prozent. Gründe gibt es viele, etwa die Verschuldungspolitik der US-Regierung. Hauptver- antwortlich sind die Zentralbanken. Sie haben den Markt für Staatspapiere auf den Kopf gestellt, möglicherweise nachhaltig zerstört.
Durch die gigantischen Kaufprogramme von Staatsanleihen wurden die Renditen über viele Jahre künstlich niedrig und die Kurse künstlich hoch gehalten. In Krisenzeiten, wenn Aktien fallen, wird der Marktmechanismus
damit verstärkt,
aber nicht ad absurdum geführt. Nun befinden sich die Börsen jedoch seit fast einem Jahrzehnt mit kleinen Unterbrechungen in einem Bullenmarkt, nichtsdestoweniger kauften die Notenbanken weiterhin Staatspapiere, weshalb sich die Renditen trotz der zuletzt gesehenen Anstiege immer noch auf einem Niveau wie sonst nur in absoluten Krisenzeiten befinden.
Vorausblickend gibt es nun zwei Möglichkeiten. Szenario eins: Die Kurse an den Aktienmärkten steigen vorsichtig weiter, den Zentralbanken gelingt es tatsächlich, ihren Rekordstimulus ohne Drama zurückzufahren und die Zinsen auf ein der Wirtschaftslage angepasstes Niveau zu bringen. Wer daran glaubt, braucht eher keine Staatsanleihen kaufen, weil deren Renditen wohl weiter steigen und die Kurse weiter fallen werden.
Szenario zwei: Die Party an den Börsen geht zu Ende, während die Notenbanken immer noch im Krisenmodus agieren. In Europa ist das gut möglich, schließlich kauft die Europäische Zentralbank noch zumindest bis Herbst Staatsanleihen und wird die Zinsen bis 2019 bei null belassen. Auch in den USA ist man von Normalität trotz einer Zinsspanne von 1,25 bis 1,5 Prozent noch weit entfernt. Aber immerhin: Bis Jahresende wird die Federal Reserve die Zinsen wohl noch drei Mal oder öfter anheben.
Es besteht kaum Zweifel, dass Szenario zwei ein unschönes wäre. In Europa gibt es keinen Spielraum, und die Fed wie auch die Bank of England haben zuletzt klargemacht, an ihrem eingeschlagenen Kurs festzuhalten, solange die Märkte nicht völlig einbrechen und eine Rezession auslösen. Eine restriktivere Geldpolitik scheint also auch bei fallenden Kursen unausweichlich.
Kurzfristig ist es schwierig
Für die Kurse von Staatsanleihen bedeutet auch das nichts Gutes. Man kann von einer Zeitenwende sprechen. Sinkende Aktienkurse verbunden mit sinkenden Kursen der wichtigsten Staatsanleihen sind für geraume Zeit möglich. Viele Optionen bleiben dem herkömmlichen Anleger nicht. Er kann zehnjährige US-Papiere mit einer Rendite von knapp drei Prozent bis zur Fälligkeit halten. Wer sich so lange binden kann, könnte auch dividendenstarke Aktien halten und darauf vertrauen, dass deren Wert auch bei zwischenzeitlichen Verlusten in zehn Jahren gestiegen sein dürfte. Wer kurzfristiger agiert, etwa mit einem Horizont von ein bis zwei Jahren, läuft Gefahr, sowohl am Aktien- wie am Anleihemarkt Geld zu verlieren.