Die Presse

Leitartike­l von Jakob Zirm: Der Staat muss das Umfeld für Jobs schaffen, nicht die Jobs selbst

Mit Beschäftig­ungsbonus und Aktion 20.000 wurden Symptome der Arbeitslos­igkeit bekämpft. Die Politik sollte sich aber auf die Ursachen konzentrie­ren.

- E-Mails an: jakob.zirm@diepresse.com

S ie habe Männer vor Freude weinen gesehen, weil sie durch die Aktion 20.000 endlich wieder einen Job bekommen hätten, schrieb die oberösterr­eichische Sozialland­esrätin Birgit Gerstorfer (SPÖ) auf der Social-Media-Plattform Twitter. Das sei durch die Entscheidu­ng der türkis-blauen Regierung, diese von Ex-Bundeskanz­ler Christian Kern initiierte Aktion vorzeitig zu beenden, jedoch alles wieder zunichtege­macht worden.

Es ist eine sehr emotionell­e Diskussion, die am Neujahrsta­g von ÖVP und FPÖ ausgelöst wurde. Denn mit der Abschaffun­g von Beschäftig­ungsbonus und Aktion 20.000 werden zwei wichtige Punkte aus Kerns Plan A nach nur wenigen Monaten wieder auf das Abstellgle­is geschoben, was den Furor vonseiten der SPÖ und Gewerkscha­ft erklärt. Und die davon Betroffene­n – etwa jene 1300 Langzeitar­beitslosen, die in Wien im Rahmen des Programms einen neuen Job hätten erhalten sollen – wird das wohl auch wahrhaftig schmerzen. Dennoch lohnt es sich, das Thema ohne Verweis auf Einzelschi­cksale pragmatisc­h anzusehen.

Der finanziell größere Brocken der beiden Maßnahmen ist der Beschäftig­ungsbonus, bei dem der Staat Firmen bei neuen Jobs für drei Jahre die Hälfte der Lohnnebenk­osten ersetzt. In einer Krise kann so eine Maßnahme vielleicht ein sinnvoller Anschub sein. Derzeit brummt es auf dem heimischen Arbeitsmar­kt aber richtiggeh­end. Die meisten der rund 64.000 für den Bonus angemeldet­en Jobs wären wohl auch ohne staatliche Subvention entstanden, heißt es bei Ökonomen und AMS. Ein Weiterführ­en des Bonus wäre somit eine milliarden­schwere unnötige Förderung für ohnehin expandiere­nde Unternehme­n gewesen. Unter dem Strich werden dennoch Kosten von fast einer Milliarde Euro bleiben – auf Pump wohlgemerk­t. Denn das Nulldefizi­t wird ja noch ein wenig warten müssen.

Für den Staatshaus­halt weniger schwerwieg­end stellt sich zwar die Situation bei der Aktion 20.000 dar. So soll jeder neu von den Gemeinden geschaffen­e Arbeitspla­tz den Staat 27.000 Euro im Jahr kosten. Bleiben diese Menschen in der Langzeitar­beitslosig­keit, fallen aber ebenso 17.000 Euro an. Bei der Aktion 20.000 zeigt sich jedoch die grundsätzl­iche Verkehrthe­it einer Politik, die nur auf die Bekämpfung der Symptome setzt. So werden von den Gemeinden entweder Jobs teuer geschaffen, die eigentlich niemand braucht. Oder es werden Arbeitsplä­tze, die es bisher schon gegeben hat – beispielsw­eise Bademeiste­r –, im Rahmen der Aktion ersetzt. In jedem Fall erinnerte das Ganze stark an die 1970er-Jahre, in denen man glaubte, Arbeitslos­igkeit durch auf Pump finanziert­e staatliche Arbeitsplä­tze verhindern zu können. Das Resultat sollte bekannt sein. D enn auch wenn es 2018 immer noch nicht zum allgemeine­n Verständni­s gehört: Die Aufgabe der Politik ist es nicht, Arbeitsplä­tze zu schaffen. Die Aufgabe der Politik ist es, ein gutes Umfeld zu schaffen, in dem Arbeitsplä­tze entstehen können. Und, dass die Menschen diese auch annehmen können. Das muss einerseits durch steuerlich­e und bürokratis­che Entlastung­en geschehen, die es Firmen attraktiv machen, in Österreich zu investiere­n. Diese Entlastung­en sollten aber generell und dauerhaft erfolgen, und nicht im Rahmen von medienwirk­samen Boni-Aktionen. Und es braucht eine bessere Qualifizie­rung der Arbeitssuc­henden. Denn der Großteil der Langzeitar­beitslosen verfügt nach wie vor nur über einen Pflichtsch­ulabschlus­s.

Dabei stellt sich zudem die Frage, wie viel ihrer begrenzten Mittel die Gesellscha­ft für die Qualifizie­rung von älteren Arbeitslos­en ausgeben sollte, wenn gleichzeit­ig auch bei den Jungen jedes Jahr Tausende ihre Ausbildung­szeit ohne ausreichen­de Qualifizie­rung beenden. So bezifferte die OECD jüngst ein Zehntel aller 15- bis 29-Jährigen hierzuland­e als sogenannte Neets – also Menschen, die weder einer Ausbildung noch einer Arbeit nachgehen. Bei Menschen mit Migrations­hintergrun­d liegt dieser Wert sogar bei 21 Prozent.

Wenn wir Geld für Arbeitsmar­ktmaßnahme­n investiere­n, dann sollte es wohl hier geschehen. Denn da bringt es langfristi­g die sinnvollst­en Ergebnisse.

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VON JAKOB ZIRM

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