„Bitcoin wird keine Konkurrenz für die Notenbanken“
Interview. Bitcoin werde das Finanzsystem nicht ins Wanken bringen, meint der Chef der LGT Bank Österreich, Meinhard Platzer. Blockchain oder ähnliche Technologien könnten aber auf lange Sicht Banken weitgehend überflüssig machen.
Die Presse: Herr Platzer, alle reden über Bitcoin. Sie auch? Haben Sie das in Ihren Kundenportfolios? Meinhard Platzer: Nein, wir sehen das nicht als Assetklasse. Das ist für uns kein Anlageprodukt.
Warum eigentlich nicht? Bitcoin repräsentiert keinen messbaren Wert. Mit den vorhandenen Bewertungsmethoden kann man das nicht beziffern, der Preis lässt sich ökonomisch nicht verstehen. Man muss da eher an die „Greater fool“-Theorie glauben, also daran, dass man einfach jemanden findet, der einem noch mehr bezahlt, als man selbst bezahlt hat.
Gold und Kunst haben auch keinen besonderen inneren Wert, trotzdem sind sie Anlageobjekte. Das stimmt, aber bei Gold können wir auf 5000 Jahre Erfahrung zurückgreifen, und bei der Kunst, die ja einen emotionalen Wert hat, existiert ein seit Langem funktionierender Markt. Das kann man schwer vergleichen.
Mit Gold hat Bitcoin immerhin gemein, dass es nicht beliebig inflationierbar ist. Ist das so? Es gibt immerhin Erweiterungen durch Abspaltung, und es gibt auch immer wieder Codeänderungen. Dazu kommt, das 50 Prozent des Markts in der Hand von nur 1000 Leuten sind, die die Richtung bestimmen. Da ist der Unterschied zu Zentralbanken, bei denen einige wenige darauf schauen, dass der Geldwert halbwegs passt, nicht so gewaltig.
Jetzt sickert Bitcoin aber durch die Emission von Futures in den Anlagemainstream ein, und durch die Auflage von Minifutures in der Schweiz können auch Kleinanleger daran teilnehmen. Wird es damit nicht zum Problem für das gesamte Finanzsystem? Derzeit sehe ich keine großen Auswirkungen. Dazu ist der Markt zu klein, und es fehlt auch der Realbezug zur Wirtschaft. Gut, wer kauft, kann verlieren, aber das bringt das System nicht ins Wanken. Problematisch für das Finanzsystem wird es erst, wenn beispielsweise Banken anfangen würden, Hypotheken in Bitcoin zu vergeben. Das zeichnet sich aber noch nicht ab.
Die zunehmend nervöse Reaktion der Notenbanken deutet aber schon darauf hin, dass hier eine Konkurrenz für das traditionelle Geldsystem heranwächst, oder? Bitcoin wird keine Konkurrenz für die Notenbanken. Wohl aber die Blockchain-Technologie. Das Problem, das man mit Bitcoin lösen könnte, sehe ich nicht. Das ist derzeit pure Spekulation. Allerdings befassen sich praktisch alle Banken intensiv mit der dahinterliegenden Technologie und mit möglichen Applikationen darauf . . .
. . . die die Banken selbst weitgehend überflüssig machen könnten. Das stimmt. Langfristig gesehen rationalisieren wir da den Großteil des eigenen Geschäfts weg. Die australische Börse ist schon dabei, ihr System auf Blockchain umzustellen. Wir werden sehen, wie das ausgeht. Und in weiterer Ferne sehen wir schon Anwendungen, die Teile des Bankensystems komplett ersetzen. Man kann dann ja vieles machen, ohne eine Bank zwi- schenzuschalten. Möglicherweise wird das aber nicht die Blockchain sein, sondern ein Sammelsurium an Technologien. Alle große Banken arbeiten daran.
Was spricht da gegen die Blockchain? Beispielsweise der enorme Energieverbrauch und die Langsamkeit der Transaktionen. So kann man kein Weltfinanzsystem betreiben.