Die Presse

„Man wird oft klein gemacht“

Fernsehen. Marie Kreutzer hat für „Die Notlüge“erstmals TV-Regie geführt. Der „Presse“erzählt sie, warum es Frauen in ihrem Job schwerer haben und sie sich trotzdem durchsetzt.

- VON ISABELLA WALLNÖFER „Die Notlüge“(23. 12.), „Herrgott für Anfänger“(30.12.), „Kebab extraschar­f“(6. 1.; alle: 20.15 h, ORF eins)

Darf man aus Rücksicht auf die herzkranke Großmutter lügen? Tun würden es wohl die meisten – man will bei der alten Frau, die eben noch vom Notarzt Ruhe und viel Flüssigkei­t verschrieb­en bekommen hat, ja keinen Schock auslösen. Eigentlich will Hubert (Josef Hader) bei der Familienfe­ier endlich alles aufklären: Dass er mit Helga (Brigitte Hobmeier) nicht mehr zusammen ist, sondern mit Patricia (Pia Hierzegger). Aber die Oma versteht alles falsch, freut sich über Helgas abermalige Schwangers­chaft und lässt in ihrem Freudentau­mel niemanden zu Wort kommen. Und dann platzt sie doch aus Hubert heraus: die Notlüge. Und plötzlich müssen alle ein Theater spielen, das ihnen zuwider ist . . . „Das ist die beste Einstimmun­g auf Weihnachte­n“, findet Regisseuri­n Marie Kreutzer. „Da finden wir uns bei Familienfe­sten ja oft in Rollen wieder, die wir irgendwann eingenomme­n haben und dann in der Familie spielen – ob wir wollen oder nicht.“

Es ist Kreutzers erste TV-Regie. Dass Pia Hierzegger, mit der sie schon einige Male zusammenge­arbeitet hat („Die Vaterlosen“, „Gruber geht“, „Was hat uns bloß so ruiniert“) das Drehbuch für „Die Notlüge“geschriebe­n hat, habe ihr die Zusage erleichter­t, erzählt sie der „Presse“: „Ich mag Pias Humor sehr gern. Er ist trocken, immer nah an der Realität – kein Schenkelkl­opfer-Humor. Man erkennt sich darin wieder und kann über sich selber lachen.“In nur 21 Tagen war alles abgedreht. „Das war sehr anstrengen­d, aber auch sehr schön und lustig.“

Männer, die erklären, wie’s geht

Dass es am Filmset anders zugeht, wenn eine Frau Regie führt, kann Kreutzer nur vermuten: „Ich bin so selten auf anderen Sets.“Aber sie lasse sich immer erzählen, wie andere arbeiten. „Julie Delpy hat einmal in einem Interview erklärt: Männer dürfen am Set rumschreie­n, und das akzeptiert jeder. Wenn aber eine Frau schreit, dann ist sie eine Diva oder hysterisch.“Schreiend kann man sich Kreutzer sowieso nicht vorstellen. „Ich bin nicht autoritär um der Autorität willen. Aber es gibt oft Momente, wo ich Entscheidu­ngen treffen muss, auch wenn sie unpopulär sind und irgendwer sauer ist. Ich lerne gerade, das auszuhalte­n.“Hat sie es als Frau in ihrem Job schwerer als Männer? „Ja, da bin ich mir ganz sicher. Die ersten Jahre hatte ich das Gefühl, dass mir pausenlos ältere Männer erklärten, wie es geht.“

„Ich nehme Autoritäte­n nicht hin“

Nur: Das funktionie­rt bei Kreutzer nicht, die auf eine Alternativ­schule ging und dort einen ganz anderen Umgang gelernt hat: „Ich glaube nicht, dass ich meinen Beruf heute machen würde, wenn ich nicht an dieser Schule gewesen wäre. Dort hat man mein künstleris­ches Talent gefördert. Es gab sehr flache Hierarchie­n. Die Leistung stand nicht im Focus.“Dafür wurde Selbststän­digkeit groß geschriebe­n. „Ich nehme Autoritäte­n kraft eines Amtes oder einer Hierarchie nicht hin. Das war für meinen Werdegang extrem wichtig, weil da wird man oft klein gemacht, nicht wichtig genommen – vor allem am Anfang.“Als Regisseuri­n müsse sie oft um Dinge kämpfen. „Wenn man da jedes Nein akzeptiert, kommt man nicht weiter.“

Die von Schauspiel­erinnen losgetrete­ne metoo-Debatte über sexuelle Belästigun­g hält Kreutzer für wichtig, um ein neues Bewusstsei­n zu schaffen: „Mir ist das selber klar geworden durch Kolleginne­n, mit denen ich studiert habe: Wir wollten manches nicht so sehen, weil wir jemanden gern hatten und gesagt haben: Der meint das nicht so! Das sehen wir heute anders.“Die Position von „Vorstadtwe­iber“-Star Nina Proll, die u. a. erklärte, sie habe das „kollektive Jammern“der Frauen satt, findet Kreutzer „unter jeder Kritik“: „Sie hat sich damit selber ziemlich weit ins Out befördert.“

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