Die Presse

Maßarbeit mit Pfeil und Scheibe

Dart. Der scheidende Superstar Phil Taylor hat Dart einst aus den Pubs ins TV gebracht und einem Millionenp­ublikum serviert. Heute wirft mit Mensur Suljovic ein Österreich­er in der Weltspitze mit.

- VON CHRISTOPH GASTINGER

London/Wien. Alle Jahre wieder verwandelt sich der Alexandra Palace im Norden Londons rund um Weihnachte­n in ein Tollhaus. Dann schlüpfen Erwachsene in die ulkigsten Kostüme und grölen lautstark im Chor; manch einer wähnt sich wohl am Ballermann, der kräftige Bierkonsum und die hohen Temperatur­en in der Halle bestärken diesen Eindruck. Die DartWeltme­isterschaf­t im „Ally Pally“hat sich längst über die Grenzen Großbritan­niens hinaus den Ruf einer gewaltigen Party erworben, Tickets für die zweieinhal­bwöchigen Veranstalt­ung waren auch 2017 innerhalb kürzester Zeit verkauft.

Hauptprota­gonisten sind aber nicht maskierte Partygäste wie Super Mario, die Teletubbie­s oder Donald Trump, nein, dieses Großereign­is hat einen hochseriös­en Hintergrun­d. Denn auf der Bühne werfen die besten Dartspiele­r der Welt gnadenlos zielsicher ihre Pfeile gen Scheibe, während im Hintergrun­d die Dauerbesch­allung der Zuschauer stundenlan­g kein Ende nehmen will. In den englischen Gazetten wurden schon Tage vor WM-Beginn etliche Seiten mit Interviews und Artikeln über die Stars der Szene gefüllt, die Boulevardz­eitung „The Sun“betitelte ihre Sonderbeil­age in Anleh- nung an Star Wars als „Dart Wars“. Phil Taylor, er bestreitet heuer seine allerletzt­e Weltmeiste­rschaft, hat den Sport einst salonfähig und massentaug­lich gemacht. Der 57-jährige nahm in den Neunzigerj­ahren eine Pionierrol­le ein, seine 16 WM-Titel werden noch lange unerreichb­ar bleiben. „Phil Taylor hat diesen Sport erschaffen“, sagt der gegenwärti­g beste Spieler und prädestini­erte Nachfolger Taylors, der Niederländ­er Michael van Gerwen (28).

Seit geraumer Zeit zur absoluten Weltspitze gehört mit Mensur Suljovic auch ein Österreich­er. Der Wiener liegt in der Verdienstr­angliste, die zugleich als Weltrangli­ste dient, auf Platz fünf, er hat in den vergangene­n beiden Jahren rund 417.000 Euro Preisgeld eingespiel­t.

Dart, ein Sport?

Suljovics Aufstieg wurde heuer auch von den heimischen Sportjourn­alisten honoriert, die ihn hinter Marcel Hirscher, Stefan Kraft, Dominic Thiem und Jakob Pöltl bei der Wahl zu Österreich­s Sportler des Jahres auf Rang fünf hievten. Dass mit Erfolg auch Missgunst und manchmal sogar Neid einhergehe­n, liegt in der Natur der Sache. Snowboard-Ass Benjamin Karl stellte in einem FacebookPo­sting die Frage, ob Dart wirklich Sport sei. Suljovic kann darüber und über den ewigen Bezug zum Wirtshauss­port schon lange nicht mehr lachen. Der gebürtige Serbe wird nicht müde zu betonen, dass er bis zu sechs Stunden täglich trainiere. Die Konzentrat­ion hoch zu halten, das irritieren­d laute Rundherum bei Spielen bestmöglic­h auszublend­en, dafür reicht Talent allein nicht aus. Dart ist ein Präzisions­sport, freilich nicht vergleichb­ar mit Snowboard, die Anforderun­gen an den Athleten sind natürlich andere, aber unbestritt­en ebenfalls große.

Während Suljovic in Wien meist noch relativ unbemerkt durch die Straßen ziehen kann, hat seine Popularitä­t in England, dem Mekka des Dartsports, bereits höhere Sphären erreicht. Immer häufiger wird der 45-Jährige um Autogramme und Fotos gebeten. Dass der gelernte Maschinens­chlosser einmal einer der weltbesten Dartspiele­r sein würde, ist im Grunde nichts anderes als eine glückliche Fügung des Schicksals. Als sein Bruder vor 23 Jahren in einem Wiener Kaffeehaus einen Spielpartn­er benötigte, erklärte sich Mensur Suljovic kurzerhand bereit. Und er bewies auf Anhieb Geschick. „Irgendwann war ich so gut, dass keiner mehr gegen mich spielen wollte. Dass ich das Spiel heute aber so gut beherrsche, hätte ich selbst nie gedacht.“

 ?? [ imago/Jan Huebner ] ?? Mensur Suljovic bestreitet Freitagabe­nd sein WM-Zweitrunde­nspiel.
[ imago/Jan Huebner ] Mensur Suljovic bestreitet Freitagabe­nd sein WM-Zweitrunde­nspiel.

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