Der hohe Preis des katalanischen Unabhängigkeitsabenteuers
Wirtschaft. Der Besitzer eines hippen Hotels und der Chef des katalanischen Unternehmerverbandes über den Schaden für „die Marke Katalonien“.
Christian Schallert hat mit seinem „Brummell“einen Traum verwirklicht: Der Vorarlberger verwandelte ein verfallenes Gebäude am Fuße des Barcelona-Hausberges Montjuic in ein Designhotel, das inzwischen zum Insidertipp für hippe Barcelona-Fans geworden ist. Mitten im alten Barcelona, fern vom Massentourismus, organisiert das „Brummell“für seine Gäste Joggingtouren und Yoga mit Barcelonern aus dem Viertel. In einem eigenen City-Guide gibt es Insidertipps für angesagte Lokale und Stadtführungen. „Domestic Chic“lautet Schallerts Motto, einflussreiche Medien wie die „Financial Times“streuten dem „Brummell“Rosen.
Ein Riesenerfolg also, in der Sommer-Hochsaison war das Hotel sogar zu 99 Prozent ausgelastet. Doch dann kam der heiße katala- nische Unabhängigkeitsherbst. Bilder spanischer Polizisten in Kampfmontur und fahnenschwingender Demonstranten gingen um die Welt, internationale Reporter zogen per Liveschaltung Vergleiche zum Balkan der 1990er-Jahre.
Schallerts Hoteltraum platzte. „Diese Krise ist Gift für uns Kleinunternehmer“, klagt er. Plötzlich brach die Zahl der Buchungen um 25 Prozent ein. „Der November war der schlechteste Monat seit der Eröffnung.“Erst blieben die Amerikaner weg, bald stornierten Engländer, Deutsche, Franzosen, Österreicher, „obwohl niemals eine Gefahr für die Sicherheit von Touristen bestand“.
Der Hotelier, der seit zwölf Jahren in Barcelona lebt, ist wütend: „Ich lebe hier, zahle Steuern, habe Erfolg, und dann kommt mir die Politik in die Quere.“Er findet „diesen Nationalismus deprimierend. Die kosmopolitische Seite der Stadt macht doch das wahre Barcelona-Feeling aus.“Touristen dürften sich vom „innenpolitischen Gezänk“aber nicht abschrecken lassen. „Barcelona zu besuchen ist so wunderschön, wie es immer war.“
Schallert muss derzeit seine Zimmer zum Spottpreis vermieten: Allein im Oktober sind die Hotelzimmerpreise in Barcelona um 13 Prozent gesunken, die Zahl der Buchungen in Katalonien ging um rund drei Prozent zurück. In Barcelona wurden 122.000 Reiseübernachtungen storniert. Die Restaurants an der sonst überlaufenen Rambla sind nahezu leer.
Schmerzvoll ist das Unabhängigkeitsabenteuer nicht nur für den Tourismus. Die Krisenmonate hätten „der Marke Katalonien“enormen Schaden zugefügt, klagt Jordi Alberich, Präsident des einflussreichen Unternehmerverbandes Circulo de Economia, gegenüber der „Presse“.
„Dritter Weg für Katalonien“
Das belegen die Zahlen: Ausländische Direktinvestitionen sind im dritten Trimester 2017 um 75 Prozent zurückgegangen, recherchierte „La Vanguardia“. Ratingagenturen befürchten eine Rezession, die Arbeitslosenzahlen steigen. Seit dem „Unabhängigkeitsvotum“vom 1. Oktober verlegten etwa 3000 Firmen ihren Sitz außerhalb Kataloniens. Erst gingen Banken, dann Versicherungen, schließlich Großunternehmen. Viele befürchten, dies sei nur der Anfang.
Keine schnelle Entspannung erwartet Alberich – im Gegensatz zu Spaniens Premier Mariano Rajoy: „Jetzt müssen wir verhindern, dass nicht noch mehr Unternehmen gehen. Und Maßnahmen setzen, damit jene, die weggegangen sind, nicht noch weitere Aktivitäten verlagern“. Angesichts der Polarisierung in Politik und Gesellschaft hofft der Unternehmer, „dass weder Nationalisten noch Separatisten deutlich siegen“.
Alberich selbst sieht sich als Vertreter einer „moderaten, schweigenden Mitte“. Er fordert einen „dritten Weg“für Katalonien: Mögliche Lösung sei eine stärkere Föderalisierung Spaniens, inklusive einer Aufwertung des Senats, des spanischen „Bundesrates“. Umfragen hätten gezeigt, dass sich viele Katalanen für so einen Kompromiss entscheiden würden, würde er als Alternative angeboten. Von Madrid wünscht er sich: „Ein Ende der katastrophalen Kommunikationsstrategie und mehr Interesse für Katalonien.“