Viele neue Formvorschriften für Dienstverträge im Handel
Kollektivvertrag. Er bringt nicht nur ein neues Gehaltsschema, sondern auch präzisere Regeln. Zum Beispiel für All-in-Verträge.
Ein neues, einheitliches Gehaltsschema und keine unbezahlten Pflichtpraktika mehr: Das bringt der neue Kollektivvertrag (KV) für Handelsangestellte.
Das ist aber längst nicht alles: Die Beschäftigungsgruppen wurden präziser umschrieben. Und detailliert geregelt, was in All-inVereinbarungen stehen muss. Das geht weit über die Vorgaben hinaus, die seit Anfang 2016 laut Gesetz für solche Pauschalentgeltvereinbarungen gelten: Laut KV ist genau aufzuschlüsseln, welche Entgeltbestandteile die Pauschale abgelten soll. Ob also z. B. auch Überstunden an Sonn- und Feiertagen miterfasst sind. Auch ob Provisionen zur Abgeltung anderer – und wenn ja, welcher – Entgeltbestandteile herangezogen werden, ist anzugeben (wobei unklar ist, ob das für Pauschale und Provisionen getrennt ausgewiesen werden muss). Weiters ist anzugeben, was dem Arbeitnehmer sonst noch zusteht – etwa „zweckgebundene Zulagen“.
Um festzustellen, ob die Pauschale auch tatsächlich alle miterfassten Lohnbestandteile abdeckt, muss zudem – auch das steht im Handels-KV, gilt aber in allen anderen Branchen genauso – für jedes Jahr eine „Deckungsrechnung“durchgeführt werden. Darin wird die Pauschalabgeltung dem für die tatsächlich erbrachten Leistungen zustehenden Entgelt gegenübergestellt. War die Pauschale zu niedrig, wird eine Nachzahlung fällig.
Risiko: Lohndumping
Nun sind All-in-Verträge – auch im Handel – durchaus üblich, aber generell umstritten. Unter anderem, weil sie oft zu schwammig formuliert sind. Präzise Regeln sind da je- denfalls ein Gewinn. Für Arbeitgeber sei dennoch Vorsicht geboten, sagt Brigitte Sammer, Arbeitsrechtsexpertin bei Taylor Wessing: Nur wer sich exakt an die neuen Formvorschriften hält, ist auf der sicheren Seite. „Gehaltsbestandteile, die nicht im Vertrag oder Dienstzettel als mitabgegolten angeführt wurden, müssen extra bezahlt werden“, sagt die Anwältin. Sonst kann sogar strafbares Lohndumping vor- All-in-Verträge liegen. Und zwar, wenn das Gesamtentgelt nicht reicht, um im Jahresschnitt auch diesen Entgeltbestandteil abzudecken.
Einstufungen überprüfen
Sehr genau nehmen müssen es die Arbeitgeber auch mit den Beschäftigungsgruppen: Beim Wechsel ins neue Gehaltsschema müssen alle Arbeitnehmer neu eingestuft werden. „Dazu müssen die Tätigkeitsbereiche sämtlicher Mitarbeiter genau geprüft werden“, sagt Sammer. Zwar seien die Kriterien nun genauer umschrieben, das sollte die Zuordnung erleichtern. „Trotzdem werden Fragen auftauchen, die vielleicht sogar mithilfe der Kollektivvertragsparteien geklärt werden müssen.“Falsche Einstufungen können fatal sein: Bekommen Mitarbeiter weniger bezahlt als das ihnen zustehende kollektivvertragliche Entgelt, fällt auch das unter Lohn- und Sozialdumping. Dann drohen dem Arbeitgeber – bzw. bei einer GmbH allen Geschäftsführern – hohe Strafen.
Die gute Nachricht aus Arbeitgebersicht: Bestehende Handelsbetriebe können zwar ab sofort ins neue Schema umsteigen, müssen aber nicht, sondern haben bis 1. Dezember 2021 Zeit. Und auch die neuen Formvorschriften für All-in-Verträge gelten erst ab dem Umstieg. Für eine sorgfältige Vorbereitung sollte also genug Zeit sein. Aber: Wird ein Betrieb neu eröffnet, oder wendet er erstmals den Handels-KV an, greifen die neuen Regeln sofort. Was weitere Fragen aufwirft – etwa, ob das auch neue Filialen von Handelsketten betrifft. Gelten diese als eigener Betrieb oder nicht? Das lässt sich nicht pauschal beantworten, sagt Sammer. Sondern hängt von den Gegebenheiten im Einzelfall ab.