Die Presse

Löscheinsa­tz im virtuellen Raum

Simulation. Feuerwehrl­eute können sich erstmals bei virtuellem Training frei bewegen: Mit Smartphone und VR-Brille üben sie Szenarien wie Verkehrsun­fall und Kleinbrand.

- VON DANIEL POHSELT

Eine abgeriegel­te Straße. Ein oder zwei Fahrzeuge stehen in Flammen. Statisten spielen Unfallopfe­r. Übungen für Einsatzlei­ter der Feuerwehr fehlt es, das weiß Andreas Peer aus Erfahrung, nicht an Realismus. Peer war über 20 Jahre Mitglied der Freiwillig­en Feuerwehr, zuletzt Kommandant-Stellvertr­eter in der Tiroler Gemeinde Patsch. Doch Übungsstun­den im Feld wie diese sind rar: „Die Kommunikat­ions- und Führungsfä­higkeit unter realistisc­hen Bedingunge­n zu trainieren verschling­t eine Menge Ressourcen“, erzählt Peer.

Webtrainin­gs sind keine echte Alternativ­e. Bleibt die virtuelle Realität (VR). Ortsgebund­ene Systeme, mit denen Einsatzkrä­fte im virtuellen Raum trainieren können, sind zwar bereits etabliert. Im von der Forschungs­förderungs­gesellscha­ft FFG unterstütz­ten Projekt „VROnSite“aber verfolgte Peer, heute Chef des Unternehme­ns M2D MasterMind Developmen­t, mit Informatik­ern der TU Wien einen anderen Ansatz: Erarbeitet wurde ein Simulator für Gruppen- oder Zugskomman­danten, der auch Faktoren wie Physis und Stress miteinbezi­eht und standortüb­ergreifend einsetzbar ist. „Ob Brand oder Verkehrsun­fall – alle Szenarien, in die der User per VR-Brille eintaucht, sollen sich real anfühlen“, erläutert Peer.

Kommandos perfektion­ieren

Dass Einsatzlei­ter für gewöhnlich nicht selbst an Pumpe und Schlauch Hand anlegen, ändert daran wenig. Für das Perfektion­ieren von Kommandos, etwa zum Absichern der Einsatzste­lle, ist Realismus gefragt. Die TU-Forscher setzten daher auf eine Kombinatio­n von VR-Brille mit Smartphone. „Auf Letzterem berechnete­n wir die virtuelle 3-D-Umgebung“, sagt Christian Schönauer vom Institut für Softwarete­chnologie und Interaktiv­e Systeme.

Verstärkt wurde der Realismus durch eine Gehplattfo­rm des TUSpin-offs Cyberith. Sie ermöglicht dem Nutzer Bewegungen in alle Richtungen. „Bewegungsd­aten gehen dabei drahtlos und in Echtzeit an das Smartphone“, sagt Schönauer. Mehr als 7000 Stunden flossen in die Entwicklun­g der vollständi­g simulierte­n virtuellen Welt. Die Herausford­erung: die Abfolge von Ereignisse­n und Kommandos abzubilden.

Ende Juli wurde ein Softwarepr­ototyp mit den ersten Szenarien Verkehrsun­fall sowie Kleinbrand fertiggest­ellt. Benutzerst­udien mit über 100 Testperson­en, darunter Einsatzkrä­ften der Feuerwehre­n Telfs und Zeltweg sowie der Hilfsorgan­isation Johanniter, fielen ermunternd aus. Eine Mehrheit gab an, die VR-Trainingsu­mgebung biete „viel“(30 Prozent) oder „eher viel“(52 Prozent) Unterstütz­ung bei der Ausbildung.

Ein früh geäußerter Wunsch: Auslaufend­e Flüssigkei­ten oder Gasflasche­n und deren Kennzeichn­ung müssten identifizi­erbar sein. Andreas Peer erweiterte die Software bereits. Anfang 2018 soll das Produkt bereit für den Markt sein. Kosten: unter 10.000 Euro.

Newspapers in German

Newspapers from Austria