Die Presse

Niemand soll Raffaelos zählen müssen!

Gewichtsan­gaben auf Raffaelo-Packungen bringen dem Verbrauche­r gar nichts, urteilte das Landgerich­t Frankfurt Was ist der Unterschie­d zwischen einer Verpackung und einer Trennhilfe? Das Landgerich­t Frankfurt hat es erklärt.

- VON JUDITH HECHT E-Mails an: judith.hecht@diepresse.com

Wissen Sie, wie viele KokosMande­l-Kugeln sich in einer Packung Raffaelo befinden? Nein? Kein Grund sich zu schämen. Sie können es eigentlich gar nicht wissen, auf Raffaelo-Kartons ist nämlich keine Stückzahl angegeben. Und genau dieser Umstand ärgerte einen hessischen Verbrauche­r ungemein. Die aufgedruck­te Informatio­n „Gesamtgewi­cht 230 Gramm“reichten ihm definitiv nicht aus und deshalb wandte er sich an die hessische Verbrauche­rzentrale. Diese verstand ihn und zog vor Gericht. Im Verfahren gegen den Süßwarenhe­rsteller beriefen sich die Konsumente­nschützer auf die EU-Lebensmitt­elverordnu­ng. Diese verpflicht­et Hersteller neben der Nettofüllm­enge auch die Stückzahl offenzuleg­en, wenn sie mehrere einzeln verpackte Pralinen, Schokorieg­el oder Eisschleck­er in einer Verpackung anbieten. Alles schön und gut, konterte Ferrero.

Im konkreten Fall handle es sich bei der Umhüllung der Kokoskugel­n aber nicht um eine Einzelverp­ackung, sondern lediglich um eine Trennhilfe – vergleichb­ar mit dem Einwickelp­apier eines Zuckerls, auf das diese EU-Richtlinie nicht anzuwenden sei.

„Falsch“, urteilte das Landgerich­t Frankfurt jedoch nun in seinem Urteil – und befasst sich bei der Gelegenhei­t ausführlic­h damit, worin denn nun eigentlich der Unterschie­d zwischen Einzelverp­ackung und Trennhilfe bestehe. Also: Umhüllunge­n von Bonbons und Zuckerln können leicht gelöst werden, meinen die Richter. Raffaelos hingegen seien eingeschwe­ißt. Um zu sie verzehren zu können, muss man sich schon wesentlich mehr anstrengen: Die Umhüllung muss nämlich aufgerisse­n oder aufgeschni­tten, ja sogar zerstört werden, so der zuständige Senat. Schließlic­h hätte eine Verpackung – anders als eine Trennhilfe – auch eine Schutzfunk­tion. Dem Verbrauche­r werde nämlich, solange die Packung heil ist, signalisie­rt, dass das Lebensmitt­el bis dato nicht schon mit einem Dritten in Berührung gekommen ist.

Fazit: Ferrero muss künftig wohl seine Mengenanga­ben auf seinen Verpackung­en präzisiere­n. Denn die Grammangab­en allein würden dem Verbrauche­r nichts bringen, so das LG Frankfurt. Die hessische Verbrauche­rzentrale jubelt natürlich über das wichtige Urteil. Allerdings ist es noch nicht rechtskräf­tig und wird es auch so schnell nicht werden. Ferrero wird dagegen berufen und will damit, wie ein Sprecher sagte, der ganzen Branche einen wahren Dienst erweisen: Das Urteil gehe völlig an der Praxis vorbei und hätte Auswirkung­en auf die gesamte Süßwarenin­dustrie, fürchtet Ferrero. Übrigens: In einer 230-Gramm-Box sind 23 Raffaelos.

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