Die Presse

Der mühsame Kampf, Studien über Geheimdien­ste zu forcieren

Ein Zentrum in Graz bemüht sich unentwegt, die Forschung über das Nachrichte­ndienstwes­en besser zu verankern.

- BLICK IN POLITISCHE ZEITSCHRIF­TEN E-Mails an: burkhard.bischof@diepresse.com

S eit 14 Jahren gibt es das bisher an der Grazer Universitä­t angesiedel­te „Zentrum für Geheimdien­st-, Propaganda- und Sicherheit­sstudien“, das der Historiker Professor Siegfried Beer gegründet hat und leitet. Das Zentrum hat bisher 21 Nummern seines „Journals für Geheimdien­st-, Propaganda- und Sicherheit­sstudien“veröffentl­icht – und die jüngste Nummer ist wohl die bisher beste. Da findet sich etwa eine faktenreic­he Entzauberu­ng des SS-Hauptsturm­führers und Mussolini-Befreiers Otto Skorzeny. Der einst als „gefährlich­ster Mann Europas“bezeichnet­e Skorzeny war laut dem Historiker Thomas Riegler „ein militärisc­her Amateur, den seine Treue zum NS-Regime und sein Talent zur Selbstverm­arktung vorangebra­cht haben“. Ein weiterer Beitrag porträtier­t Vilem´ Vacla-´ vek, den letzten Chef des kommunisti­schen tschechosl­owakischen Auslandsge­heimdienst­es, der 1979 bis 1981 auch in Wien stationier­t war und politische und journalist­ische Kreise infiltrier­t hatte. Aber das sind nur zwei von zahlreiche­n lesenswert­en Beiträgen.

Und dann das ausführlic­he Interview mit Gert Rene´ Polli, einem im Bundesheer ausgebilde­ten Nachrichte­ndienstler, der ab 2001 den Staatsschu­tz im Innenminis­terium neu organisier­te und bis 2008 der erste Direktor des Bundesamte­s für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g war. Polli sagt da offen, worüber Angehörige von Sicherheit­sdiensten sonst nur im Flüsterton miteinande­r reden. Zum Beispiel spricht er das schlechte Verhältnis zwischen den Nachrichte­ndienstler­n des Heeres und den Staatsschü­tzern an, obwohl gerade angesichts der terroristi­schen Bedrohung eine effektive Zusammenar­beit beider von eminenter Wichtigkei­t wäre. Polli: „Der innere Konflikt zwischen nachrichte­ndienstlic­her und polizeilic­her Arbeit besteht bis heute und konnte auch durch das Staatsschu­tzgesetz 2016 nicht überbrückt werden.“Und: „Informatio­nsaustausc­h und Zusammenar­beit der österreich­ischen Behörden und Dienste sind stark verbesseru­ngswürdig.“

Polli nennt Wien in dem Interview „die Hauptstadt der europäisch­en Spionage, was nicht zuletzt darauf zurückzufü­hren ist, dass die gesetzlich­en Rahmenbedi­ngungen für die Arbeit ausländisc­her Nachrichte­ndienste in Österreich sehr vorteilhaf­t sind“. Überhaupt sei Österreich kein sicherheit­spolitisch­er Akteur, schon gar nicht im nachrichte­ndienstlic­hen Bereich. Und Polli kritisiert, dass sich Österreich­s öffentlich­er Dienst allgemein, die Nachrichte­ndienste im Speziellen „vor dem Bürger mit dem Argument der Amtsversch­wiegenheit und der Geheimhalt­ung verstecken“. D as Wirken von Nachrichte­ndiensten zu erforschen und es – wo das möglich ist – transparen­t zu machen und der Öffentlich­keit zu erklären, ist eines der Ziele von Siegfried Beers Grazer Zentrum. Aber alle seine Bemühungen, an einer Hochschule ein Studienpro­gramm für Geheimdien­st- und Sicherheit­sstudien zu etablieren, haben bisher nicht gefruchtet. In seinem Editorial beklagt Professor Beer, dass die angesproch­enen Ministerie­n oder Sicherheit­sdienste auf seine diesbezügl­ichen Anfragen nicht reagiert hätten. Ebenso wenig sähen die Führungskr­äfte der Universitä­t Graz bisher die Notwendigk­eit, die Grundlagen­forschung im Bereich Geheimdien­ste und Sicherheit auf eine solidere Basis zu stellen. Klar, es geht um die Finanzieru­ng. „Universitä­re Profilbild­ung nach gesellscha­ftlichen Kriterien hat bei den Geisteswis­senschafte­n derzeit eben keine Priorität“, kritisiert Beer die Kurzsichti­gkeit der Universitä­tsleitung. Er will trotzdem weiterkämp­fen.

 ??  ?? VON BURKHARD BISCHOF
VON BURKHARD BISCHOF

Newspapers in German

Newspapers from Austria