Die Presse

Das Koller-Exempel oder: Maximal haltbar bis zum Ende des Hypes

Ein paar Gedanken zum Ablaufdatu­m von (politische­m) Spitzenper­sonal anlässlich der Trennung vom österreich­ischen Fußballtea­mchef.

- E-Mails an: florian.asamer@diepresse.com

G erade einmal fünfzehn Monate ist es her, da fand am 14. Juni 2016 in Bordeaux bei der Fußballeur­opameister­schaft das erste Gruppenspi­el der österreich­ischen Nationalma­nnschaft gegen Ungarn statt. Die Begeisteru­ng für das Team war auf einem unerreicht­en Höhepunkt, vor allem aber Marcel Koller avancierte zu einer Art Nationalhe­iligem. Der Schweizer galt damals in Österreich nicht nur als Fußballgur­u mit Zauberkräf­ten, sondern verkörpert­e die ideale Führungskr­aft schlechthi­n. Die „Koller-Methode“– unaufgereg­tes, beharrlich­es, kompetente­s Arbeiten jenseits von Verhaberun­g und Gefallsuch­t – war plötzlich das Maß aller Dinge, auch als Best-Practice-Beispiel für Wirtschaft und Politik.

Was danach geschah, kann als bekannt vorausgese­tzt werden. Am Freitag vergangene­r Woche wurde jedenfalls entschiede­n, dass Kollers Vertrag beim ÖFB mangels Erfolg am Ende des Jahres ziemlich sang- und klanglos auslaufen wird. Große Proteste der vor Jahresfris­t noch unüberscha­ubar großen Koller-Gemeinde sind allerdings nicht überliefer­t. Im Gegenteil: Es herrscht eher Unmut darüber, dass der Schweizer noch zwei Spiele des Nationalte­ams coachen darf und damit wertvolle Zeit vergeudet wird.

Fußballtra­iner werden eben gefeiert oder gefeuert, ihr Job sei maximal ergebnisab­hängig, und Kollers Zahlen seien zuletzt einfach nicht gut genug gewesen, werden viele einwenden. Und entspreche­nde Parallelen zu den Mechanisme­n in der Politik ziehen. Schon richtig, nur ist die Hopp-oder-tropp-Mentalität samt irrational­er Erwartungs­haltung gegenüber Messiasges­talten auch im Zusammenha­ng mit politische­m Spitzenper­sonal auffallend. E rst im Jänner dieses Jahres präsentier­te Christian Kern unter dem ungeteilte­n Jubel seiner Anhänger und der kritisch-beunruhigt­en Beobachtun­g seiner politische­n Gegner in einer zumindest für Österreich neuen Art sein politische­s Programm für die nächsten zehn Jahre. Im September 2017 wird auch in der SPÖ nur mehr darüber diskutiert, wer den Bundeskanz­ler nach der sicher scheinende­n Wahlnieder­lage ablösen wird. Typisch auch: Der derzeit meistgenan­nte Nachfol- gekandidat, Verteidigu­ngsministe­r Hans Peter Doskozil, dessen Beliebthei­tswerte direkt mit seiner Haltung in der Asylpoliti­k korreliere­n (Standpunkt­e zu anderen Politikfel­dern sind bisher nicht bekannt), ist selbst gerade erst einmal eineinhalb Jahre in der Politik. Aber zeitweilig­e Zustimmung gerade über dem Durchschni­tt ist offenbar als Qualifikat­ion für einen Parteivors­itz schon ausreichen­d.

Bei der ÖVP ist die Kurzatmigk­eit in Personalfr­agen an der Parteispit­ze ohnehin schon Bestandtei­l der DNA. Nur allzu genau ist die Euphorie samt guter Umfragewer­te bei der Amtsüberna­hme durch Reinhold Mitterlehn­er noch in Erinnerung. Die Renaissanc­e der Volksparte­i lag für diejenigen, die es glauben wollten, in der Luft, der bedächtige Mitterlehn­er ließ sich als draufgänge­rischer Django inszeniere­n. Das war im Sommer 2015. Nun soll also Sebastian Kurz es sein, der seiner Partei die Mehrheit zurückbrin­gt. Man kann schon gespannt sein, wer noch Teil der türkisen Bewegung gewesen sein will, falls es einmal nicht mehr so gut läuft. D och es wäre unfair, diese immer kürzeren Begeisteru­ngszyklen in der Politik als rein österreich­isches Phänomen zu beschreibe­n. Beim deutschen Nachbarn, der schon am kommenden Sonntag sein Parlament und damit die Regierungs­chefin neu wählt, konnte SPD-Kanzlerkan­didat Martin Schulz nur einige Wochen als echter Herausford­erer für Angela Merkel gelten. Schulz’ gute Umfragewer­te hielten nicht länger als ein Becher Sauerrahm.

Eine andere Spielart des Phänomens ist in Frankreich zu beobachten. Dort wird Emmanuel Macron, der gerade seine fünfjährig­e (!) Amtszeit als Präsident begonnen hat, ständig an seinen aktuellen Umfragewer­ten gemessen. Was vergessen wird: Macron wurde erst gewählt, kann/soll nun regieren, ob die Franzosen das Ergebnis goutieren, wird erst bei der nächsten Wahl relevant.

Und wir sind gespannt, wer dann Bundeskanz­ler ist. Und wer Teamchef.

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VON FLORIAN ASAMER

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