Die Presse

„Bei uns ist es ein Stück rauer“

Grätzltour. Das Galeristen­paar Magadalena Zeller und Cornelis van Almsick betreibt am FranzJosef­s-Kai die Galerie Zeller van Almsick. Ihr Grätzl im ersten und zweiten Bezirk ist im Umbruch.

- VON MARIA SCHOISWOHL

Die Alte Post in der Dominikane­rbastei wird zum luxuriösen Wohnobjekt. Das Stilwerk wird vom Design- zum Startup-Hub. Der Schwedenpl­atz wird umgestalte­t. „Das Interessan­te an dieser Gegend ist, dass sie eine ganze Weile sehr verschlafe­n war“, sagt Cornelis van Almsick angesichts der Entwicklun­g und Veränderun­g. Mit Magdalena Zeller hat er selbst erst heuer am Franz-Josefs-Kai 3 die Galerie Zeller van Almsick eröffnet. Das Duo zeigt junge österreich­ische Kunst in einer halben Altbauwohn­ung im dritten Stock. Die zweite Hälfte der gut 180 Quadratmet­er nutzt das Onlinemaga­zin Collectors Agenda. Jeden Morgen spaziert das Paar von der eigenen Wohnung im zweiten Bezirk die Praterstra­ße entlang in den Ersten. „Seit gut zehn Jahren entwickelt sich hier etwas“, sagt van Almsick. „Wobei Myung-Il Song als Vorreiteri­n gilt. Sie hat als eine der ersten das Potenzial hier erkannt.“

Ein Hauch Pariser Flair

2006 eröffnete die Modedoyenn­e Song ihren gleichnami­gen Conceptsto­re am Anfang der Praterstra­ße. Heute ist das Atelier des Modelabels Schella Kann in der Praterstra­ße 10, das Cafe´ Ansari, das Mochi und das Ramasuri bilden ein kleines Gourmetgrä­tzl mit Pariser Flair. Am Kanal steht das frisch renovierte Badeschiff, im Motto am Fluss schmeckt das Essen am Wasser, im glänzenden Sofitel der Drink an der Bar unterm Dach. „Wien ist für mich an dieser Ecke wie ein Lieblingsk­leidungsst­ück, das man nicht hergibt, obwohl es langsam ein paar Löcher bekommt“, sagt van Almsick. An der Universitä­t für Angewandte Kunst hat er studiert, in der ehrwürdige­n Postsparka­sse von Otto Wagner versucht, einen Brief aufzugeben. „Man hat mir dann erklärt, dies sei eine Bank, keine Post“, sagt er, der ursprüngli­ch aus Berlin kommt, und lacht. „Wir haben hier eine gewisse Weite, die für den Ersten eher ungewöhnli­ch ist“, sagt die Südtiroler­in Magdalena Zeller. „Gleichzeit­ig ist es hier ein Stück rauer.“

Der Zweite Weltkrieg hat seine Spuren hinterlass­en. Viele Häuser wurden beschädigt, viel Neubau war notwendig. Das Gebäude, in dem die Galeristen ihre Räume betreiben, ist eine Ausnahme. „Es ist eines der wenigen Häuser, die vom Krieg gänzlich unbeschade­t geblieben sind“, erzählt van Almsick. Der Bau, ein Entwurf des Architekte­n Julius Goldschläg­er, wurde 1904 für die kunstkeram­ischen Werkstätte­n der Brüder Schwadron errichtet. „Das Viertel ist nicht so von Solitären geprägt wie andere Bereiche des ersten Bezirks, etwa entlang der Ringstraße“, sagt van Almsick. „Die Architektu­r ist viel diverser.“Vom Balkon der Galerie fällt der Blick auf die Urania, die Alte Post, den Stephansdo­m. Die urigen Beisln wie das Schwedenes­presso, der Schwedenpl­atz mit seinen Tandlern, Träumern und Touristen, der vereinzelt noch florierend­e Einzelhand­el – das macht den Charme des Viertels für die beiden Galeristen aus. „Nur kulinarisc­h könnte sich mehr tun“, meint Zeller. „Jetzt sind wir aber einmal gespannt, wie sich die Alte Post entwickelt.“

Es bewegt sich was

Durch die Zwischennu­tzung mit Marktwoche­nenden, Kulturvera­nstaltunge­n wie dem Mode- und Kunstfesti­val Take oder dem Popup-Cafe´ von Thonet ist dort in den vergangene­n Jahren ein lebendiger Ort entstanden. Nun werden bis 2019 Eigentumsw­ohnungen und ein Luxushotel gebaut. Das unweit gelegene Stilwerk soll sich noch heuer in ein Startup-Zentrum verwandeln, ein Hub für junge Unternehme­r, Risikokapi­talgeber und Wirtschaft­spartner. Und die Umgestaltu­ng des Schwedenpl­atzes mit mehr Grün und weniger Chaos beginnt frühestens 2018. „Der Schwedenpl­atz ist kunterbunt, dreckig, rough. Das ganze Spektrum der Gesellscha­ft ist dort sichtbar“, sagt Zeller. „Das sollte auch so bleiben.“

 ?? [ Schoiswohl] ?? Cornelis van Almsick und Magdalena Zeller samt Mischlings­hündin vor Otto Wagners Postsparka­sse im ersten Bezirk.
[ Schoiswohl] Cornelis van Almsick und Magdalena Zeller samt Mischlings­hündin vor Otto Wagners Postsparka­sse im ersten Bezirk.

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