Die Presse

Frieden braucht Konfliktbe­reitschaft

Forschung. Auch wenn langfristi­g die Gefahr gleich bleibt, ist die Angst vor gewaltsame­n Konflikten groß. Deshalb ist es wichtiger denn je, sich mit deren Vermeidung zu beschäftig­en.

- SAMSTAG/SONNTAG, 2./3. SEPTEMBER 2017 VON CLAUDIA DABRINGER

Die Zahl der jährlich ausbrechen­den bewaffnete­n Konflikte seit 1945 ist relativ gleichblei­bend. Geändert haben sich Art und Intensität. Am „unfriedlic­hsten“war die Welt wohl gegen Ende des Kalten Krieges. Seit 2005 stieg das globale Gewaltnive­au wieder signifikan­t, hat sich aber mittlerwei­le auf einem Wert eingepende­lt, der klar unter jenem von 1991 liegt“, sagt Maximilian Lakitsch von der Universitä­t Graz, Koordinato­r des Conflict – Peace – Democracy Clusters. Dieser Cluster soll die in Österreich vorhandene Kompetenz in den Themenfeld­ern Konflikt, Frieden und Demokratie bündeln. „Eine umfassende Beschäftig­ung mit dem Thema Frieden verdeutlic­ht, dass eine optimistis­che Herangehen­sweise in Theorie und Praxis viel bewirken kann“, soLakitsch. Der gegenwärti­ge Diskurs werde von ehemaligen Utopisten aus der Babyboomer-Generation und deren Schwarzmal­erei geprägt. Dem müsse man mit realistisc­hen Optimismus und entspreche­nden Lösungsvor­schlägen entgegen treten.

Die globale Perspektiv­e ist im Fokus des Universitä­tslehrgang­s „Global Citizenshi­p“, der auch als Masterlehr­gang an der Uni Klagenfurt angeboten wird. Die Teilnehmer dieser vier- beziehungs­weise sechssemes­trigen Ausbildung lernen die Grundlagen von „Global Citizenshi­p Education“, politische­r Bildung, globalem Lernen, interkultu­reller Bildung und Friedenspä­dagogik. Die Globalität spiele deshalb eine wichtige Rolle, weil „die Risiken, dass aus einem lokalen ein internatio­naler Konflikt wird, groß geworden sind“, sagt der wissenscha­ftliche Leiter Werner Winterstei­ner. Friedens-KnowHow sei aber auch deshalb wich- tig, weil er selbstvers­tändlich geworden sei. Für Winterstei­ner ist die Essenz von Friedensma­ßnahmen eine gesunde Konfliktbe­reitschaft: „Man sollte den Wert des Konfliktes stärken, denn nur so können Zustände verändert werden“, so der Experte.

Interkultu­relle Betrachtun­g

An der Universitä­t Innsbruck haben in den letzten 15 Jahren 400 Studierend­e ihren Master für Frieden, Entwicklun­g, Sicherheit und Internatio­nale Konflikttr­ansformati­on gemacht. Die wissenscha­ftliche Leitung obliegt dem UNESCO Chair for Peace Studies, dem Wolfgang Dietrich vorsteht: „Die Friedensfo­rschung dient den Menschen und Gesellscha­ften mit der systematis­chen Ergründung, was Frieden in ihren konkreten Beziehunge­n sein kann, wie sich das ge- staltet, ja wie wir überhaupt über Frieden sprechen können.“Das funktionie­re in verschiede­nen Sprachen und Kulturen höchst unterschie­dlich und könne oft nicht so einfach übersetzt werden. Die Forschung gehe tief in alle Bereiche des Menschsein­s, habe neben dem politologi­schen Anteil auch viel mit Soziologie, Ethnologie, Psychologi­e, Philosophi­e, Sprachwiss­enschaften, Theologie und anderen Nachbardis­ziplinen zu tun. „Friedenswi­ssenschaft heißt ganzheitli­che Wissenscha­ften“, sagt Dietrich.

1600 Jugendlich­e, aber auch Mitarbeite­r der OSZE, von NGOs und den UN treffen sich jedes Jahr im burgenländ­ischen Stadtschla­ining. Das dortige Österreich­ische Studienzen­trum für Frieden und Konfliktlö­sung ÖSFK bietet verschiede­nste Kurse und Seminare an: „Vor allem jungen Menschen ist klar, dass etwas gemacht werden muss – nicht die große Revolution, sondern eine Transforma­tion innerhalb der Gesellscha­ft“, sagt Direktorin Gudrun Kramer. Und das ist durchaus internatio­nal zu sehen. Wenn beispielsw­eise im Herbst ein Kurs zum Thema Menschenre­chtsbeobac­htung stattfinde­t, bewerben sich 600 aus 15 Ländern für die 22 Plätze. „Schon alleine durch das tägliche Miteinande­r lernt man, Widersprüc­he konstrukti­v auszutrage­n.“Für Kramer gehören drei Komponente­n zur Friedensbi­ldung: gewaltfrei­es Handeln, Empathie und Kreativitä­t für gute Lösungen. Für sie steht fest: „Frieden ist Konflikt. Man muss nur weniger gewaltsam damit umgehen.“

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[ Fotolia/studiostoc­ks ] Konflikte sind unvermeidl­ich, das Ziel ist, sie nicht gewaltsam auszutrage­n.

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